Thorens TD 124 – geschenkt!

Wer heute einen guten Thorens TD 124 sucht, braucht Geduld und eine ganze Menge Geld auf dem Bankkonto – oder so viel Glück, wie ich es tatsächlich einmal hatte.

Diesen kaum benutzen TD 124 seines Vaters mit Werkstonarm BTD-12 S und Shure-Tonabnehmer M 55-E überließ mir ein junger Mann – Generation Smartphone – „weil doch heute niemand mehr Schallplatten hört“

Vor einiger Zeit rief mich ein Buchkunde an, der schon 1963 einen TD 124 besaß und mit dem ich seit seinem Kauf der ersten Auflage 2005 immer mal wieder freundschaftlichen Kontakt hatte. Der Anrufer berichtete mir von einem früheren Arbeitskollegen, wie er Doktor der Chemie. Dieser Mann lebte zusammen mit seiner vermögenden Frau in einer großzügigen Villa. Von Musik verstand er angeblich nicht viel.

Da mein Informant ihm aber oft von seinem Plattenspieler vorschwärmte, war das Schweizer Laufwerk für den solventen Berufskollegen bald ebenfalls ein Muss. 1964 kaufte er den abgebildeten TD 124 mit Werkstonarm und ließ das Chassis zusammen mit einem VS-71 M von Klein + Hummel – damals einer der besten und teuersten deutschen Verstärker – samt Lautsprechern in die ausladende Schrankwand seiner Wohnhalle einbauen.

Nun zum Grund des Anrufs: Mein Gesprächspartner berichtete mir, der frühere Arbeitskollege, inzwischen verwitwet, müsse altersbedingt in eine Seniorenresidenz ziehen. Zurzeit werde die Villa im pfälzischen Mutterstadt vom Sohn ausgeräumt und verkauft. Dabei sollte der Thorens, nun ja: auf den Sperrmüll kommen. Er stellte den Kontakt her, und ich konnte den Nachkommen davon überzeugen, den alten Plattenspieler nicht an den Straßenrand zu stellen, sondern besser in meine wertschätzenden Hände zu geben.

Gesagt und getan: Anderntags besorgte ich ein schönes Weinpräsent und fuhr mit einer Ortofon-Zarge ST 104 in der seltenen Ausführung mit Holzfurnier aus meinem Bestand zum Heimtransport des TD 124 in die Pfalz. Den Sohn traf ich schon vor dem Haus, alles war wie beschrieben. Das Laufwerk mit Thorens-Tonarm BTD 12-S und noch originalem Shure-Tonabnehmer M 55-E präsentierte sich aber nicht „in Würde gealtert“ – es war praktisch neu!

Genauso makellos wie das Laufwerk: Thorens-Tonarm BTD-12 S, Baujahr 1961 – 1965. Das Armbrett ohne die üblichen Altersrisse

Dank Einbau in den Regalausschnitt eines geschlossenen Schrankes, der den TD 124 vor Lichteinflüssen und mechanischer Beschädigung bewahrt hatte, strahlte das cremefarbene Chassis nur so im Lack. Die schwarze Farbe des Armbretts, normalerweise mit altersbedingten Rissen durchzogen, schien wie gestern aufgetragen und präsentierte sich glatt wie Babyhaut. Das Tonarmrohr ohne den häufigen Makel eines herunterhängenden Gegengewichts aufgrund des verschlissenen Dämpfungsgummis. Kaum sichtbare Bremsspuren auf den Gumminoppen des Haupttellers verrieten, dass der Hausherr auf dem Laufwerk höchstens zu Weihnachten ein paar Schallplatten gespielt hatte.

Dann fiel mein Blick noch auf den Klein + Hummel. „Wenn Sie wollen, können Sie den auch mitnehmen“, so der Chemikersohn.“ Sprach’s, zog den nicht mehr zeitgemäßen, aber gleichfalls makellosen Röhrenvollverstärker aus dem Schrankfach, trennte ihn von den Lautsprechern und – wow – drückte mir den Kasten als Dreingabe in die Hand.

Röhrenvollstärker VS-71 M von Klein + Hummel

Nicht nur den TD 124, auch den VS-71 hat Peter Feldmann für meine Sammlung an Vintage HiFi fachmännisch revidiert. Ihm gelang es sogar, den abgebrochenen Acryl-Steller am kanalweise getrennten Höhenregler, für den es keinen Ersatz mehr gibt, unsichtbar und haltbar zu reparieren. Das Malheur war meine Schuld, denn ich hatte leichtsinnigerweise noch in der Villa den schwergängig gewordenen Stellhebel zu bewegen versucht. Seitdem weiß ich, dass Kunststoff mit der Zeit spröde wird und brechen kann …

Wegen der unglaublichen Geschichte, die dieser vor 70 Jahren in Ludwigshafen gekaufte Thorens TD 124 erzählen kann, wollte ich den Plattenspieler eigentlich meinem Sohn vererben. Doch der gehört auch der Generation Smartphone mit weißen EarPods an …

Inzwischen hat das Laufwerk in der Ortofon-Zarge mit dem ganz seltenen Holzfurnier und antimagnetischem Teller von SWISSONOR einen fachkundigen Platz gefunden. Ausgestattet mit einem Tonarm Decca Professional und dem unglaublich abbildungsscharfen Decca ffss macht dieser ganz spezielle TD 124 einem Jazz-Liebhaber in Mühlheim am Main viel (Klang-)Freude.