Spitzenqualität aus Tokyo
Tonarme haben bei Sony eine lange Tradition. Erstes HiFi-Produkt von Sony in Deutschland ist jedoch nicht ein Tonarm, sondern der ganz mit Siliziumtransistoren aufgebaute Vollverstärker TA-1120. Das 2 x 50 Watt Dauerton leistende Gerät wurde 1965 in den USA vorgestellt und erschien ein Jahr später auch auf dem europäischen Markt.
Der Sony TA-1120 kostete in Deutschland etwa 1700 DM – was damals zwei Monatsgehältern eines durchschnittlichen Angestellten entsprach
Ein besonderes Merkmal des hohen Bedienungskomforts ist die Klangregelstufe des TA-1120. In einem Testbericht der Zeitschrift fono forum schreibt Werner Ratzki: „Sony hat hier nicht die übliche Potentiometerschaltung, sondern eine Stufenschaltung mit Festwiderständen bevorzugt, wie sie meines Wissens bisher nur von der Firma Revox angewandt wurde.“ Vorteil der aufwendigen Ausführung ist neben gutem Gleichlauf der Kanäle die Möglichkeit, für eine Tonquelle einmal gefundene optimale Einstellung der Höhen und Tiefen exakt reproduzieren zu können. Für Puristen ist das Klangregelnetzwerk abschaltbar. Auch sonst, so Ratzki, scheine bei diesem Verstärker bedienungsmäßig „alles bis auf’s kleinste Detail genau durchdacht“ zu sein.
Nachfolger ab 1972 war der Vollverstärker TA-1130, gepaart mit dem Weltklassetuner ST-5130 mit Fünffach-Drehkondensator, Mos-Fets und acht keramischen Filtern
„Der Blick auf die Messergebisse bestätigt in jeder Hinsicht die außergwöhnlich guten Eigenschaften unseres Rezensionsexemplars“, führt Ratzki in seinem Resümee aus. „Es war nicht möglich, bei den Messungen etwas zu finden, was man dem TA-1120 als Minuspunkt auslegen könnte.“ Bemerkenswert sei auch der überaus saubere Aufbau im Inneren: „Die Printplatten mit ihren in Reih und Glied sitzenden Bauelementen muten nahezu preußisch an. Vor- und Steuerstufen gehören zu den besten, die mir bisher bei Industriegeräten begegnet sind. Insgesamt möchte ich den TA-1120 zu jener kleinen Gruppe von Verstärkern zählen, die als Weltspitzenklasse bezeichnet werden.“
Bestechend außer der Qualität der Geräte ist das klare, kühl wirkende Sony-Design jener Zeit. Mancher Sony-Liebhaber hält diese bis etwa 1975 dauernde Ära für die beste Schaffensperiode des japanischen Elektronik-Riesen.
Konkurrent des Thorens TD 125
1967 stellt die Firma Sony – die damals von Elac in Kiel vertreten wird – passend zum großen Vollverstärker einen bestechend schönen Plattenspieler der Fachwelt vor. Obendrein wartet das zweitourige Laufwerk TTS-3000 mit interessanten Konstruktionsmerkmalen auf.
Die rechteckige, starke Gussplatine des TTS-3000 ist dunkelgrau gespritzt und trägt an ihrer Vorderseite eine Aluminiumblende. Links der griffige Regler für die Drehzahlfeinregulierung und rechts, mit der Drehzahlwahl kombiniert, der Schiebeschalter für Ein- und Ausschalten des zweitourigen Laufwerks. Eine Libelle zum Ausrichten des Plattenspielers in der Horizontalen befindet sich vorn auf der linken Seite des Gussrahmens.
Der Sony TTS-3000 ist das japanische Gegenstück zum Thorens TD 125 – und kostete auch etwa das Gleiche. Nicht viele davon hat Sony in Deutschland verkauft
Um den Rand des groß dimensionierten Plattentellers läuft ein schmaler Ring aus Plexiglas mit Stroboskopmarkierungen für die beiden Drehzahlen sowie für die Netzfrequenzen 50 und 60 Hertz. Ein kleines Feld des Rings wird von unten beleuchtet und macht die Stroboskopeinteilungen selbst bei hell beleuchteter Umgebung sehr gut sichtbar.
Angetrieben wird das Riemenlaufwerk von einem schweren, servogesteuerten Gleichstrommotor, der mit etwa 300 U/min läuft. Drehzahumschaltung und Feinregulierung der Geschwindigkeit erfolgen wie beim Thorens TD 125 ohne Getriebe, also vollelektronisch – was sich entsprechend positiv auf die Laufruhe auswirkt.
„Unsere Messergebnisse verdeutlichen die hervorragenden Eigenschaften des Sony TTS-3000“, berichtet Stratos Tsobanoglou im August-Heft 1968 der Zeitschrift fono forum. „Gleichlauf sowie Rumpelfrendspannungs- und Geräuschspannungsabstand sind hervorragend. In Anbetracht dessen kann man dieses Gerät eines der besten zurzeit erhältlichen Laufwerke nennen, das Qualität und Robustheit mit einem geschmackvollen Äußeren vereint.“
Spielpartner PUA 237 und PUA 286
Als passende Partner des Plattenlaufwerks TTS-3000 offeriert der japanische Hersteller seit 1967 die Tonarme PUA 237 (kurz) und PUA 286 (lang). Diese beiden Modelle sind die ersten von Sony gebauten Arme überhaupt.
Von ihrer Erscheinung her könnten die beiden leicht s-förmigen Tonarme – die nicht nur auf dem hauseigenen Laufwerk, sondern auch auf dem Garrard 401 eine gute Figur machen – aus den 1980er Jahren stammen. Lediglich der noch vorhandene, abschaltbare Anschlag für Schallplatten mit 17, 25 und 30 cm Durchmesser verrät das Alter dieser Konstruktionen. Technisch sind die beiden Sony-Arme ernste Konkurrenten für SME 3009/II und SME 3012/II – kommen aber freilich nie auf vergleichbare Stückzahlen.
Auffallend neben der Eleganz der beiden Sony-Tonarme ist der lange Überhang hinter dem Drehpunkt.
Blick auf den hinteren Überhang des PUA 237 mit dem dreiteiligen Gegengewicht. Das kleine seitlich verschiebbare Ausgleichsgewicht dient zum Erreichen der Horizontalbalance
Das Ausbalancieren von PUA 237 und PUA 286 in der Vertikalen ist einfach und ohne Werkzeug zu bewerkstelligen. Eine grobe Einstellung der Balance erreicht man, in dem man das dreiteilige Gegengewicht in seiner Gesamtheit auf dem Armrohr verschiebt. Die lange Rändelschraube am mittleren Teil wird anschließend festgedreht. Mit dem kleinen hinteren Ring des Gewichts bringt man den Tonarm dann in die endgültig ausbalancierte Position.
Das Einstellen der Auflagekraft geschieht mit dem großen vorderen Gewicht, das nach leichtem Drehen aus der Normalposition auf der Skala verschoben werden kann. Alle 0,5 Pond sind Markierungen mit Rasten für das Gewicht vorhanden. Der Einstellbereich erstreckt sich von 0 bis 3 Pond. Nach Loslassen des Gewichts an der gewünschten Stelle dreht es sich automatisch in die Grundpostion zurück.
Beide Sony-Arme besitzen die gleiche kardanische Aufhängung mit einem hochpräzisen Spitzenlager. Die entstehenden Reibungskräfte sind minimal und garantieren die ausgezeichnete Leichtgängigkeit sowie exakte Führung des Tonabnehmers.
Vorn das Rändelrad zum Einstellen der Antiskatingkraft, links davon am Armrohr der Tonarmanschlag. Dieser steht vor der roten Markierung auf Stellung „X“ und ist in dem Fall abgeschaltet
Schwierig ist die Reparatur der komplizierten Antiskating-Einrichtung, die mit einem nicht alterungsbeständigen Faden (!) zur Kraftübertragung arbeitet. Eine Fummelarbeit, die Peter Feldmann bei meinem PUA 286 allerdings perfekt gelang.
Der in der Höhe abgestufte Tonkopf von PUA 237 und PUA 286 ist schwer beschaffbar. Die meisten Arme sind heute mit späteren Sony-Köpfen bestückt – auch der auf dem TTS-3000 montierte Sony PUA 237
„Exzellent konstruiert und mit dem Finish einer wertvollen Kamera“, urteilt im Frühjahr 1971 die US-Zeitschrift Stereophile über den PUA 237. „Vertrauen erweckend, bevor man den Arm überhaupt ausprobiert hat.“
Im Test der Zeitschrift fono forum (Heft 8/1968) wird der Sony PUA 286 mit hochwertigen Tonabnehmern – Shure V-15 II, ADC 10 E, Elac STS 444-12 – anhand bekannt „gefährlicher“ Testschallplatten sowie Musikplatten mit extrem schwierigen Modulationen erprobt. Alle verwendeten Systeme spielen bereits bei 0,75 Pond Auflagekraft normal ausgesteuerte Programme einwandfrei ab und benötigen nicht über 1 Pond, um auch sehr große Modulationen auf Testschallplatten einwandfrei abzutasten.
Diese hervorragenden Ergebnisse rechtfertigen für den Tester Stratos Tsobanoglou den Vergleich mit zwei anderen hochwertigen Tonarmen: „Der Micro Seiki MA 88 schied schon nach den ersten Versuchen aus, während sich der SME 3012/II um eine Winzigkeit besser als der Sony erwies.
Der 12-Zoll-Tonarm Micro Seiki MA 88 – hier am einem Acoustical-Laufwerk 2800 – kostete deutlich weniger als ein SME 3012/II, bietet aber für sein Geld solide Qualität
Beiden zum Vergleich herangezogenen Tonarmen hat der Sony die bessere mathematische Berechnung voraus sowie den ausgezeichnet verlaufenden Tangentialfehler, der in jedem Fall unter 1,3 Grad bleibt.
Einziger Schwachpunkt der Sony-Tonarme ist der mit Silikonöl gedämpfte Lift. „Dieser funktionierte bei fünf getesteten PUA 286 nur an zwei Exemplaren wirklich einwandfrei, während er bei den anderen entweder ruckartig herunterging oder sich nach wenigen Stunden selbsttätig senkte.“ Ein Manko, von dem auch mein Exemplar betroffen ist.
„Sony hat mit dem PUA 286 einen Tonarm geschaffen“, so Tsobanoglu in seiner Abschlussbeurteilung, „der dem hohen Niveau von Präzisionsinstrumenten entspricht und in die Spitzenklasse der High-Fidelity-Geräte einzureihen ist.“
Ähnlicher Meinung ist die HiFi-Stereophonie (Heft 3/1967). Chefredakteur Karl Breh bezeichnet den PUA 286 als „ein bis in die letzten Einzelheiten konsequent durchdachter Tonarm höchster Qualität, der auf bequeme Weise alle notwendigen Justierungen gestattet. Seine unbestreitbare technische Schönheit ist das natürliche Ergebnis einer sorgfältige realisierten, sachgerechten Konzeption.“
Neubewertung langer Tonarme
Interessant ist ein Vergleich der beiden Sony-Tonarme unter der Überschrift „Kurz oder lang?“, der im April 1970 im fono forum erschienen ist. Beim messtechnischen und gehörmäßigen Vergleich von PUA 237 und PUA 286 kann Stratos Tsobanoglou keinen klanglichen Unterschied feststellen und kommt dann zu dem Schluss: „Da also für die Wiedergabequalität die Frage ‚kurz oder lang‘ in der Praxis keine Rolle spielt, bietet die kurze Version die interessantere Variante.“
Kurze Version des Sony-Tonarms: Dieser PUA 237 ist ebenfalls auf einem Thorens TD 121 montiert
Auch die Fachwelt gelangte damals zur Auffassung, dass Zwölfzoll-Tonarme keine Vorteile bieten und deshalb ihre Daseinsberechtigung verloren haben. Zumal diese Tonarme eine teure lange Spezialzarge mit dazu passender, damals unentbehrlicher Staubschutzhaube erfordern. Gleichzeitig tobte die Jagd nach immer geringeren Auflagekräften – ein Trend, dem überlange Arme mit ihrer vergleichsweise hohen effektiven Masse entgegenstehen.
Was SME 1972 dazu bewegte, die Produktion seine langen Modells SME 3012/II einzustellen. Stattdessen propagierte der englische Hersteller nun ausschließlich seinen SME 3009/II improved mit abgeflachtem Gegengewicht, mit oder ohne abnehmbarem Tonkopf sowie Kunststofflagern für die Vertikalbewegung.
Die Wiederauflage des langen SME als 3012-R empfanden Liebhaber 1977 als Erlösung. Statt 398 DM wie sein Vorgänger kostete dieser Edelstahlarm beim Erscheinen allerdings nun 1000 DM
Eine Fehlentscheidung, die SME erst fünf Jahre später mit dem neu konstruierten SME 3012-R korrigierte – dessen Bauzeit bis 2005 und damit am längsten aller klassischen SME-Tonarme währte.
Der letzte Listenpreis für einen fabrikneuen SME 3012-R mit den optionalen Messerlagern lag Ende der 1990er Jahre bei 2360 DM. Makellose Gebraucht-Exemplare in Originalverpackung wechseln heute, umgerechnet in Euro, mindestens für‘s gleiche Geld den Besitzer. Mit anderen Worten: Der SME ist wertstabil.
Wertstabil sind auch die Sony-Tonarme PUA 237 und PUA 286. Perfekte Erhaltung vorausgesetzt, bewegt sich die lange Ausführung heute in ähnlichen Preisregionen wie der SME 3012/II. Vor allen Dingen, wenn noch alle Unterlagen und der Originalkarton vorhanden sind. Allerdings sind viele Arme verbastelt und nur noch wenige Exemplare in neuwertigem Zustand – und die befinden sich in Sammlerhand.