Schweizer Qualität aus Burgdorf
Das Schweizerkreuz – Symbol für Wertarbeit
Verglichen mit Thorens in Sainte-Croix war die Lenco AG in Burgdorf nahe der Landeshauptstadt Bern der modernere, fortschrittlichere und mit Zweigwerken im Wallis sowie in Italien auch größere Hersteller von Plattenspielern in der Schweiz.
Erfolgsgeheimnis der Lenco-Plattenspieler ist ihr einfacher, zuverlässiger und kostengünstig herzustellender Antrieb über ein großes dünnes Reibrad, das den Teller nicht seitlich am Innenkranz, sondern durch eine Öffnung im Chassis von der Unterseite aus in Drehung versetzt.
Und Markenzeichen die stufenlose Regulierung der Plattendrehzahl zwischen 13 und 18 U/min sowie zwischen 30 und 86 U/min. Ermöglicht wird dies durch die konische Antriebsachse des waagrecht eingebauten Vierpolmotors, auf der das Reibrad verschoben wird.
Die konische Motorwelle ermöglicht die kontinuierliche Veränderung der Tellerdrehzahl
„Diese Feinregulierung ist besonders für den ernsthaften Musikfreund gedacht, der die Tonhöhe seinem musikalischen Empfinden anpassen möchte“, so der Hersteller. „Wer aktiv musiziert, kann mit der stufenlosen Drehzahlverstellung die Musik von der Schallplatte auf die Tonhöhe seines Instrumentes abstimmen.“
Bei den für Schallplatten gebräuchlichen 16, 33, 45 und 78 Touren rastet der Drehzahlwähler ein. Nach Lösen der Schrauben lassen sich die Rastpunkte verstellen
Schon in den späten 1950er Jahren ist Lenco auch im Export nach Großbritannien aktiv. Modelle wie der L-60 sind auf der Insel baugleich unter dem Namen Goldring erhältlich.
Goldring GL-60 mit Kunststoff-Tonarm, grauem Chassis und blauer Tellermatte
Aufstieg in die HiFi-Liga
Der Aufstieg in die HiFi-Liga gelingt Lenco 1960 mit dem Erfolgsmodell L 70 – das für seinen Preis einen hohen Gegenwert bietet. In Deutschland wird der Plattenspieler aus Burgdorf schon im Jahr seiner Markteinführung auf der Industriemesse in Hannover präsentiert.
Das von Entwicklungsleiter Bruno Grütter konstruierte HiFi-Modell Lenco L 70 mit Tonarm aus dem eigenen Haus
1961 sendet der Frankfurter Importeur Interphone den Lenco L 70 in einer Truhe, kombiniert mit Verstärker und Tuner des britischen Herstellers Rogers, der Zeitschrift fono forum zum Test.
Über die Interphone-Komplettanlage schreibt Chefredakteur Ernst Pfau: „Im Gegensatz zu den angelsächsischen Ländern setzt sich bei uns der Einfachspieler mit unabhängigem Tonarm nur langsam durch. Der Lenco L 70 zeigt, wie ein geschickter Konstrukteur hohe Qualität mit einfachem Aufbau zu verbinden weiß.“
Ein Kollege aus der Redaktion ergänzt: „Wenn Sie ein Gerät in erschwinglicher Preislage suchen, dann kann ich nur den schweizerischen Lenco L 70 nennen. Er arbeitet präzise und verzichtet auf alle luxuriösen Mätzchen. Sein Preis von 258 DM entkräftet die heute noch oft gehörte Klage, dass ein anständiger Plattenspieler nicht unter einem halben Tausender zu haben sei.“
Serienmäßig lieferbar ist der Lenco L 70 zunächst mit Keramik-Tonabnehmern von Goldring und Sonotone.
Auch in den Niederlanden wird der Lenco L 70 angeboten – hier ein Motiv aus dem „Lenco Programma 1961-62“
Für Schallplattenliebhaber in Holland bestückt Lenco den L 70 mit einem bewährten heimischen Kristallsystem, dem Superfluid TX-88 von Ronette.
Anzeige für das Superfluid TX-88 mit Windmühlen-Motiv. Das gut beleumundete, tropentaugliche Kristallsystem mit Wendenadel wird von der Ronette Acoustical Corporation auch in den USA angeboten
Ronette hat auch einen eigenen Tonarm im Programm, sogar in zwei Längen. Im Bild die längere Version des Ronette Fonofluid auf dem Thorens TD 121. Der Zehnzoll-Tonarm passt gerade noch auf ein schmales Armbrett
Die Top-Versionen des L 70 versieht Lenco mit Stereo-Magnetabtastern von Bang & Olufsen (SP 1) oder einem Modell von Pickering. Der geschlossene Tonkopf ist wahlweise aus Metall oder aus schwarzem beziehungsweise weißem Kunststoff erhältlich.
Speziell für die neuen Stereo-Schallplatten bietet Lenco den Tonarm seines Spitzenmodells auch einzeln an
Nennenswerte Stückzahlen des Einzeltonarms dürften allerdings nur in Großbritannien verkauft worden sein – dem Land, in dem separate Plattenlaufwerke und Einzeltonarme Tradition haben.
Umgekehrt ist das Laufwerk L 70 in geringem Maße mit Tonarmen fremder Hersteller kombiniert worden, so mit einem Ortofon SMG 212 und – beim Deutschland-Vertrieb – mit dem ADC Pritchard.
Holztonarm ADC 50 der Audio Dynamics Corporation – benannt nach seinem Konstrukteur Peter E. Pritchard
Dank seiner Qualität bei günstigem Preis ist der Lenco L 70 auch bei Herstellern hochwertiger Phonotruhen erste Wahl. In der Schweiz verbaut die in Basel ansässige Firma Audio Products eine Spezialausführung des L 70 mit Magnetsystem von Bang & Olufsen in ihrer röhrenbestückten Kompaktanlage „audio 100“.
Mit ihrem hohen Preis von 1590 DM findet die Kompaktanlage audio 100 in Deutschland kaum Verbreitung. Der Vertrieb liegt bei der Firma Behr Möbel – Electronic in Stuttgart
Vorstoß in die höchste Klasse
Mitte der 1960er Jahre erfüllt das Laufwerk des Lenco L 70 noch alle Anforderungen, die an ein solches Gerät der HiFi-Klasse damals gestellt werden. Sein schwerer Arm mit einer einstellbaren Auflagekraft bis 15 Gramm ist dagegen durch die Entwicklung von Abtastsystemen hoher Nadelnachgiebigkeit überholt.
1965 stellen die Burgdorfer einen neu konzipierten Tonarm der Fachwelt vor. „Der Lenco P 77 ist ein Präzisionsinstrument, das nicht nur die Vorzüge anderer Tonarme der Spitzenklasse auf sich vereinigt, sondern auch neue Konstruktionsprinzipien verwendet, die auf dem HiFi-Sektor schrittmachend sind“, schreibt der Hamburger Importeur Dube Electric in einem Informationsblatt.
Und weiter: „Der P 77 ist ein Präzisionsinstrument, bei dem durch ein sinnvolles System von Ausgleichsgewichten alle auf die Nadel störend einwirkenden Kräfte ausgeschaltet werden.“ Mittels zweier Reguliermuffen am Gegengewicht lässt sich der Schwerpunkt des Arms seitwärts und horizontal jeweils unabhängig voneinander verschieben, bis er genau im Schnittpunkt beider Drehachsen liegt.
In Ruhestellung wird der Arm von einem Bügel gehalten. Dieser betätigt auch den in den Sockel eingebauten hydraulischen Lift, indem man den Bügel niederdrückt. Dabei wird der Tonarm erst beim Absenken vollends freigegeben – eine ähnliche Einrichtung wie beim Thorens-Werkstonarm TP 14. Ob 0,5 oder 8 Gramm Auflagekraft – die Absenkgeschwindigkeit des Präzisionslifts bleibt immer gleich.
Sockel und Gegengewicht des Lenco P 77 mit den beiden Reguliermuffen am Gegengewicht. Obem am Sockel der Drehrring für das Einstellen der Auflagekraft. Vorn der bügelförmige Lifthebel, kombiniert mit der Arretierung des Arms
Der Auflagedruck für den Tonabnehmer wird durch Spannen einer Feder erreicht. Die Einstellung erfolgt durch Drehen der Abdeckplatte des Sockels auf einer Skala von 0 bis 8 Gramm. Der ganze Arm kann je nach Erfordernis um 30 Millimeter in der Höhe verstellt werden. Die Werte für verschiedene Einstellungen lassen sich am Sockelfuß anhand einer weiteren Skala ablesen.
Die Abwinkelung des Arms wird im Tonkopf durch schräges Anordnen der Montageplatte für den Tonabnehmer erreicht. Um diesen anhand der mitgelieferten Schablone zu justieren, lässt sich die Platte im Kopf um zehn Millimeter verschieben. Korrekt eingestellt, beträgt der Tangentialfehler des P 77 maximal ± 0,8 Grad.
Seitenansicht mit Lenco-Schriftzug – über den nur der Tonkopf des P 77 verfügt
Einzeln und in einer vornehmen Holzschatulle geliefert, will Lenco den P 77 zum stolzen Preis von 398 DM auch gegenüber den Armen von SME, Ortofon und Shure positionieren. Doch die Fertigungskosten des Tonarms sind gegenüber Preis und verkauften Stückzahlen zu hoch.
Die Produktion des Lenco P 77 währt nur drei Jahre von 1965 bis 1968 – was den heutigen Sammlerwert der wenigen gut erhaltenen Exemplare erklärt. Behauptungen im Internet, der P 77 sei „in zahlreichen Tonstudios“ eingesetzt worden, treffen nicht zu. Auf dem Thorens TD 124 ist der Arm eine Rarität.
In Kombination mit dem Laufwerk des L 70 wird der Tonarm P 77 als Lenco L 77 angeboten. Der bewährte Antrieb wurde beibehalten, Gleichlauf und Laufruhe jedoch verbessert. Als Rumpelabstand garantiert der Hersteller hier – 41 dB. Gebaut wurde der Spieler von 1965 bis Mitte 1967 in kleinen Stückzahlen. Heute ist der L 77 das meistgesuchte Lenco-Modell
Wird so ein Tonarm P 77 mit seinem komplizierten Innenleben einmal im Internet angeboten, ist er oft verbastelt oder in äußerlich beklagenswertem Zustand. Starke Oxidation, Blasenbildung und Abplatzungen der Oberflächen sind bei dem Luxusmodell fast schon die Regel.
Polierversuche enden frustrierend – vor allem, wenn der Lenco-Schriftzug an der Außenseite des Tonkopfes dadurch verloren geht. Peter Feldmann, der bereits mehrere Lenco P 77 restauriert und soweit wie möglich optisch aufbereitet hat, führt die Makel auf einen Produktionsfehler bei der Galvanik zurück.
Bestätigt wird das von Beat Schwengeler aus Zürich, der mechanische Revisionen, komplette Überholungen sowie Umbauten des Lenco P 77 anbietet. Auch kann der gelernte Goldschmied den Tonarm nach vollständigem Zerlegen neu vernickeln:
https://tanadesign.ch/lenco-p77-tonarm-2/
Unter diesem Link finden Sie auch einen YouTube-Film zum Lenco P 77 (mit englischem Kommentar).
HiFi für wenig Geld
HiFi-Plattenspieler aus Burgdorf mit Reibradantrieb sind in zwei Grundversionen erhältlich: den Flaggschiffen L 70/L 77 mit 3,7 kg schwerem antimagnetischem Plattenteller sowie einer leichteren Ausführung.
Dennoch erscheint auch dieses Lenco B 52 genannte Modell dank seines hohen 30 cm-Plattentellers und den gleichen großzügigen Abmessungen sehr „erwachsen“.
Die Geometrie des Tonarms stimmt beim Lenco B 52 mit der des P 77 überein. Der 1,4 Kilogramm wiegende Teller besteht aus zwei Millimeter starkem gepresstem Stahlblech, der Tonkopf aus grauem Kunststoff
Den Einfachspieler rüstet Lenco von Anbeginn ausschließlich mit Magnettonabnehmern aus – die Zeit ist Mitte der 1960er Jahre schon weitergegangen.
So mit dem klanglich hervorragenden Abtaster SP 1 von Bang & Olufsen oder den robusten Modellen 220 und 770 der amerikanischen Audio Dynamics Corporation, mit deren Tonabnehmern die Burgdorfer einen Teil ihrer Plattenspieler serienmäßig bestücken.
„Der Lenco B 52 ist ein zufriedenstellendes HiFi-Gerät, das überdies den Vorteil hat preiswert zu sein“, schreibt Karl Breh in der HiFi-Stereophonie. „Er erscheint daher recht geeignet für die große Gruppe der Interessenten, die vernünftigerweise den ersten Schritt in Richtung High Fidelity durch die Anschaffung eines plattenschonenden Spielers tun wollen, ohne sich in größere Unkosten zu stürzen.“
Weiter entwickelter Lenco B 55 mit Aluminiumblende und Schieberegler für das Einstellen des Antiskatings
1969 ergänzt Lenco den Tonarm des B 52 um eine mit Federkraft wirkende, für Auflagekräfte zwischen 0,5 und 5 Gramm stufenlos regulierbare Antiskating-Einrichtung. Der mit dem Ein- und Ausschalter gekoppelte Lift ist jetzt hydraulisch gedämpft. Mit einer gefälligen Aluminiumblende und Metall-Tonkopf versehen, wird der verbesserte Spieler als Lenco B 55 angeboten.
Der große Verkaufsrenner
1967 löst Lenco den altbewährten L 70 durch das neue Spitzenmodell L 75 ab. Der Hauptvorteil des Vorgängers – der einfache und zuverlässige Antrieb – bleibt bestehen. Die Masse des dynamisch ausgewuchteten Plattentellers aus nicht magnetischem Zinkdruckguss wird auf vier Kilogramm erhöht. Den Durchmesser des Tellers mit eingebauter Bremse vergrößert Lenco auf stattliche 312 Millimeter.
Den größten Fortschritt beim Lenco L 75 bietet der neu entwickelte Tonarm. Dieser ist horizontal auf Schneiden gelagert und erlaubt nun das Verwenden von Tonabnehmern hoher Nadelnachgiebigkeit. Das Tellergewicht wird nur von dem des Thorens TD 124/II übertroffen
Beim Test in der HiFi-Stereophonie (Heft 11/1967) erreicht der Lenco L 75 einen Rumpel-Fremdspannungsabstand von – 39 dB und einen Rumpel-Geräuschspannungsabstand von – 58 dB. Die Gleichlaufschwankungen liegen bei nur ± 0,06 %. Der Tangentialfehler des Arms bleibt im nutzbaren Bereich der Schallplatte mit Ausnahme der äußersten Radien unter 2 Grad.
„Dieser Plattenspieler mit seinem neuen, sehr guten Tonarm stellt zum Preis von 298 DM ein außerordentlich interessantes HiFi-Gerät dar“, lobt Chefredakteur Karl Breh: „Sein Laufwerk entspricht ganz den Mindestforderungen der DIN 45 500 und übertrifft diese hinsichtlich der Gleichlaufschwankungen bei weitem.
Und weiter: „Der Lenco L 75 hat nicht nur die Qualität, sondern auch das Aussehen eines echten HiFi-Bausteins.“ – Ein Urteil, dem ich mich als ehemaliger Besitzer dieses Modells (in weißer Zarge!) gern anschließe.
Das klare Design des Lenco L 75, das gute Handling, die Haptik − all das fasziniert mich heute noch. Im Bild die Urversion von 1967
Lenco-Arm für Fremdlaufwerke
Wie schon beim L 70 bietet Lenco auch den Tonarm des L 75 einzeln an. 1971 nimmt Importeur Hilton Sound für den von ihm vertriebenen niederländischen Acoustical-Plattenspieler den vielfach bewährten und vertrauten Tonarm des Lenco L 75 mit ins Programm.
Offenbar verspricht man sich bei Hilton davon in Deutschland bessere Verkäufe des Acoustical-Laufwerks als mit dem relativ unbekannten „All Balance“ Werkstonarm.
Als Sonderversion für den deutschen Markt rüstet Acoustical sein Riemenlaufwerk mit dem Tonarm des Lenco L 75 aus – hier ein Bild des Acoustical 3100/LE in gediegenem Ambiente
1972 sieht Lenco die Notwendigkeit, einen Plattenspieler der oberen Qualitätsklasse mit dem immer mehr verbreiteten Riemenantrieb anzubieten und stellt den Lenco L 85 der Fachwelt vor.
Das Gerät ist wie die Spieler von Thorens mit einem streuarmen 16-poligen Synchronmotor ausgerüstet. Die beiden Tourenzahlen 33 ⅓ und 45 U/min lassen sich mit Hilfe der eingebauten Elektronik in einem Bereich von ± 3 % feinregulieren. Am Außenrand des Plattentellers ist ein beleuchteter Stroboskopring angebracht.
Der Lenco L 85, ausgezeichnet mit dem Titel „Die gute Industrieform“ auf der Hannover Messe 1972, präsentiert sich im modischen „Softline“-Look. Heute ist dieses Modell kaum noch anzutreffen – und fast vergessen
Gleichzeitig will Lenco die Erfolgsstory des L 75 mit dem bewährten stufenlosen Reibradantrieb so lange wie möglich fortschreiben.
Der Arm des Nachfolgers Lenco L 78 hat zur Gewichtsersparnis einen gelochten Tonkopf und eine mechanische Endabschaltung, wobei der Tonarm abgehoben wird.
Eine neu gestaltete Gummimatte sowie das Chassis im leider heute noch aktuellen Staubfänger-Schwarz ergänzen den geänderten Auftritt des ansonsten baugleichen Modells.
Lenco L 78 mit gegenüber dem Vorgänger L 75 nur geringen technischen und kosmetischen Änderungen
1973 werden allein in Deutschland über 80000 Lenco-Plattenspieler verkauft. Doch die Erfolgsstory währt nicht mehr lang. Über den wirtschaftlichen Niedergang des Unternehmens, der Lenco schon 1978 zur Aufgabe zwingt, berichte ich in meinem Monatsbeitrag vom Januar 2023.
Das italienische Zweigwerk von Lenco in Osimo bei Ancona kann sich mit Aufträgen von Blaupunkt für die Produktion von Kassettengeräten bis 1983 über Wasser halten. Auch der unsterbliche Lenco L 78, jetzt ausgerüstet mit einem japanischen Tonarm von Jelco, wird hier noch weiter gebaut.
Um das Alter der Konstruktion – die letzte im HiFi-Segment mit Reibradantrieb – etwas zu kaschieren, ist die stufenlos einstellbare Drehzahl bei diesem als Lenco L 78 SE bezeichneten Modell auf den Bereich von 33 ⅓ bis 78 U/min beschränkt. Dazu wird einfach der Schlitz im Chassis für den Drehzahlwähler kürzer ausgefräst.
Der Teller des italienischen Lenco wiegt weiter volle vier Kilogramm, doch das Finish kommt nicht mehr an das der Exemplare aus der Schweiz heran
Vor einigen Jahren wurde ein noch fabrikverpackter Lenco L 78 SE von einer Frankfurter Trödelhändlerin für 20 Euro angeboten – „verhandelbar auf 15“, wie mein Tippgeber durchblicken ließ. Da ich einerseits für den Lenco keine Verwendung hatte, andererseits auch nicht wollte, dass der schöne Plattenspieler in unkundige Hände gerät oder in der zugigen Halle weiter versauert, vermittelte ich die Adresse der Händlerin im Analog Forum der Analogue Audio Association.
Lesen Sie in SCHWEIZER PRÄZISION, wie sich Schnäppchenjäger auf dieses Angebot stürzten – und welch große Befürchtung einer von ihnen hegte: „Ich kann mir vorstellen, dass morgen scharenweise Leute dort eintreffen und der Preis hochgeht, wenn die Frau erst mal merkt, was sie da hat.“
Seit geraumer Zeit erleben die Lenco-Modelle mit schwerem Plattenteller ein Comeback. Allen voran der L 75, der die Leistung eines guten Reibradspielers zum Bruchteil des Preises eines TD 124 oder eines Garrard 301/401 bietet.
Der schweizerische Plattenspieler-Experte Bernhard Streit lobt besonders den Lenco-Motor: „Ich habe während meiner vierzigjährigen Tätigkeit in der HiFi-Branche noch nie ein Exemplar instand setzen müssen.“
Bei einem Händler von Schellackplatten in Hamburg läuft ein gebraucht erworbener, völlig verstaubter Lenco L 75 an sechs Tagen der Woche von morgens bis abends mit 78 Touren.
Wenn der Motor einwandfrei gewartet wird, frei schwingen kann und sich das Reibrad in gutem Zustand befindet, ist Rumpeln beim L 75 kein Thema.
Beliebt bei Freunden der Marke ist der Lenco L 75 als Tuning-Objekt. Besitzer, die den meist erforderlichen Austausch der Gummi-Vertikallager am Tonarm scheuen, statten ihren L 75 gern mit einem fremden Arm – hier mit einem Modell von Decca – aus
Auslöser der Rückbesinnung auf Lenco ab 2004 war eine Folge von Diskussionsbeiträgen im HiFi-Internetforum Audiogon. Der Gedankenaustausch entwickelte sich zum umfangreichsten auf dieser Plattform und führte zur Gründung mehrerer Spezialforen, von denen inzwischen Lenco Heaven mit weltweit Tausenden von Mitgliedern das bedeutendste ist.
Die Krönung jeder Lenco-Sammlung, so die herrschende Meinung im Lenco Heaven, sind der seltene Plattenspieler Lenco L 77 und die immer noch unterschätzen britischen Laufwerks-Ableger von Goldring – die Modelle GL 88 und G 99. Über die beiden Goldrings berichte ich in meinem Blog-Beitrag vom Oktober 2024.