Raumklang mit Nachhall (-hall-hall)
Grundig stellt 1961 auf der Hannover Messe erstmals Musikschränke mit eingebauter Halleinrichtung unter dem Namen „Phonomascope“ vor und berichtet: „Der hierdurch erzeugte Klangeffekt fand ungeteilten Beifall beim Publikum, so dass eine große Nachfrage nicht nur nach neuen Schränken mit Hallsystem, sondern auch nach Einbausätzen für die nachträgliche Ergänzung besteht.“
Musikaufnahmen mit geringer Dynamik, „ausdruckslose“ Schallplattenaufnahmen oder auch „flache“ Rundfunksendungen“ ließen sich durch Zugabe künstlichen Halls in einen konzertsaalähnlichen Klang verwandeln. Damit käme dieser Maßnahme ähnliche HiFi-Bedeutung wie der gehörrichtigen Lautstärkeregelung zu.
Für das Erzeugen künstlichen Nachhalls bedienen sich Grundig und auch Philips dem Hammond-Verfahren:
Beim Hammond-Verfahren dienen zwei Stahldrahtwendeln mit kleinen Magnetstäbchen an deren Enden, die in Querrichtung magnetisiert sind, als Verzögerungselement. Die Magnete befinden sich frei schwebend in einem elektromagnetischen Erregersystem, das von einer Verstärkerstufe gespeist wird, und führen im Rhythmus der Tonfrequenzen Torsionsschwingungen aus, die sie auf die beiden Drahtwendeln übertragen. Am anderen Ende dieser Wendeln befindet sich ein ähnlich arbeitendes Abnehmersystem, das an einen empfindlichen Eingangsverstärker angeschlossen ist.
„Phonomascope weitet ganz nach Wunsch Ihr Zimmer zu einem gewaltigen Konzertsaal“, schwärmt Grundig in einem Spezialprospekt. „Wie oft sind wir verblüfft, wenn Nachhall die räumliche Dimension der Klänge oder des gesprochenen Wortes ins Unermessliche steigert. Die neue Raumhall-Einrichtung gibt Ihnen die Möglichkeit, diesen herrlichen Effekt mit Ihrem Konzertschrank selbst zu erzielen.“
Ins gleiche Horn stößt Philips: „Reverbeo vermittelt das Klangerlebnis und die Großraum-Akustik internationaler Konzertsäle. Der faszinierende Fortschritt macht neues Hören möglich.“
In Dänemark beschreibt Bang & Olufsen seine Echo-Einheit EK 4 als „anregende Ergänzung zur normalen Schallwiedergabe“, indem sie durch ihre Hallwirkung einer sonst etwas „trockenen“ Wiedergabe „mehr Klangfülle und Farbe“ verleiht.
Sahne auf die Sahnetorte ?
Als „HiFi-Sensation des Jahres 1961“ bezeichnet in den USA Edward Tatnall Canby die Einführung künstlichen Nachhalls bei Musikanlagen.
Kolumnist der US-Zeitschrift Audio
„Eigentlich widerstrebt mir die Idee“, bekennt der Autor, der in seiner monatlichen Kolumne über die neuesten Audio-Entwicklungen schreibt. „Doch insgeheim regt sich bei mir das Kind im Manne. Ich habe ein Faible für solche Spielereien.“
David Hall von der Zeitschrift High Fidelity ist das Thema sogar ein Editorial wert: „Einige Hersteller schicken sich an, dem Stereokuchen eine Extraportion Gewürz zu verabreichen.“ Gemeint sind Zusatzeinrichtungen mit phantasievollen Namen wie Ecco-Fonic, Reverbaphonic, Reverber-Sonic, Reverberation Unit oder Spacexpander. Damit lasse sich dem Programmmaterial mehr oder minder starker Nachhall beimischen und dadurch der Raumeindruck einer Kathedrale erzeugen.
„Angenommen, Sie empfinden einen Chor irgendwie als zugeschnürt. Ein Dreh am Schalter löst das Geschehen auf. Faszinierend – der Hörer ist nun Herr über klangliche Aspekte, die bisher unwiderruflich im Aufnahmestudio festgelegt wurden.“
Technisch, so Herbert Reid in der Hi-Fi Stereo Review, seien die Halleinrichtungen ziemlich primitiv. „Hörtests verliefen enttäuschend. Bei moderater Lautstärke klangen die Konsolen von Zenith und Philco noch einigermaßen befriedigend. Doch sobald wir den Reverbaphonic-Nachhall aktivierten und stärker aufdrehten, wurde der Klang unnatürlich. Individuelle Instrumente gingen unter, der Sound war merkwürdig verfärbt, ja matschig und verschwommen.“ Auch ginge in dem Klangbrei viel von der Stereowirkung verloren.
Beim Nachhall sei es deshalb wie beim Knoblauch: „Er muss der Musik sparsam und mit äußerster Vorsicht beigegeben werden.“ Ähnlich ernüchtert zeigt sich Canby nach seinen Versuchen: „Künstlicher Nachhall ist ein toller Spaß, aber nur für begrenzte Zeit. Es macht ja letztlich auch keinen Sinn, auf eine Sahnetorte noch Sahne zu geben.“
Auch in Deutschland äußert sich das fono forum skeptisch: „Solche technische Spielereien, die nicht die Übermittlung eines natürlichen Klangbilds, sondern Täuschung zum Ziel haben, sind Geschmackssache. Sie werden aber vielleicht ihre Liebhaber finden.” Damit liegt die Zeitschrift nicht falsch. Selbst in den 1970er Jahren bringen Pioneer und Sansui Nachhallgeräte in Transistortechnik auf den Markt.
Nachhall für HiFi-Anlagen
Halleinrichtungen dienen aber nicht nur dazu, das Klangbild von Musiktruhen künstlich aufzupeppen. Im April 1962 beschäftigt sich die Zeitschrift HiFi-Stereo Praxis in einem Beitrag des Grundig-Ingenieurs H. Brauns „Nachträglicher Anschluss einer Halleinrichtung bei HiFi-Anlagen“ sogar ernsthaft mit dem Thema. Mit dem Modell SV 50 bringt Grundig einen HiFi-Verstärker samt integrierter Halleinrichtung auf den Markt.
In den USA entwickelt Fisher seinen „Spacexpander“ nach dem Hammond-Prinzip, der aus dem Nachhallerzeuger (Hallspirale), einem kleinen Röhrenverstärker, der zwischen Vor- und Endverstärker einer HiFi-Anlage geschaltet wird, sowie einem externen Regler für die Hallintensität besteht.
Das Spitzenmodell aus der Reihe der Vollverstärker, den Fisher X-1000, stattet der US-Hersteller wie beim Grundig SV 50 mit einem Hallregler auf der Frontplatte aus.
Kombi-Regler am Fisher X-1000: Mit dem hinteren Drehring lässt sich die Wirkung der externen Halleinrichtung K-10 regulieren
In meinem nächsten Monatsbeitrag stelle ich den von 1961 bis 1964 gebauten Fisher X-1000 aus meiner Sammlung ausführlich vor.