Von vorn bis hinten überarbeitet
Das war sicher die größte Neuigkeit auf der diesjährigen Phono- und Radiobörse in Sankt Georgen: Nach vierjähriger Vorbereitung präsentierte Norbert Kotschenreuther auf der Bühne der Stadthalle die neueste Version seines Buches „Schwarzwälder Präzision von Weltruf“ über die Plattenspieler-Hersteller Dual und Perpetuum-Ebner.
Ein dickes, perfekt gedrucktes Hardcover-Buch mit Glanzumschlag, dessen Umfang sich gegenüber der Erstauflage von 2002 mehr als verdoppelt hat! Mit über 500 Seiten liegt es jetzt ähnlich schwer wie Band eins von SCHWEIZER PRÄZISION in der Hand.
„Begonnen hatte ich mit der Neuauflage schon 2020/21″, so der Autor des Standardwerkes über die Wiege der deutschen Phonoindustrie. „Doch wegen Corona, Insolvenz der früheren Druckerei und weil ich im vergangenen Jahr beruflich und privat andere Prioritäen setzen musste, verzögerte sich der Druck“
Für die mittlerweile sechste Auflage hat Kotschenreuther sein Werk von vorn bis hinten gründlich überarbeitet. „In allen Epochen und Jahrzehnten sind jetzt mehr oder minder große Ergänzungen und etliches neues Bildmaterial mit aufgenommen worden.“
Schwerpunkt der Additionen sind die Kapitel der 1950er bis 1980er Jahre. Den Cassettendecks ist ebenfalls breiterer Raum eingeräumt worden. Auch Details zu den Firmenübernahmen durch Thomson Brandt und Schneider hat der Autor eingearbeitet.
Außerdem gelang es dem Passauer, für die Neuauflage weiteres Archivmaterial zu sichten, das allerdings nur noch spärlich vorhanden ist. Sämtliche Unterlagen über die Plattenspielerentwicklung gingen im Lauf der Eigentümerwechsel nach dem Konkurs von Dual verloren oder sind verschollen.
Stolze Bilanz
Entsprechend der großen Zahl von Liebhabern deutscher Automatikspieler und der umfangreichen Mitgliedergemeinde im Internetforum „Dual-Board“ kann Kotschenreuther inzwischen auf beachtliche Absatzerfolge seines privat finanzierten Werkes zurückblicken:
Während der Autor von den beiden ersten Auflagen vorsichtig nur jeweils etwa 400 Exemplare drucken ließ, bewegte sich die Stückzahl der drei folgenden Ausgaben bei jeweils etwas über 700. Insgesamt waren das also schon stolze 3000 Bücher!
Ich kenne die Verkaufszahlen von Verlagen nicht, kann mir aber vorstellen, dass mancher Verleger ausgefallener Titel froh wäre, ein solches wirtschaftliches Ergebnis zu erreichen.
Aufgrund der immer noch anhaltenden Nachfrage entschloss sich Kotschenreuther, von der sechsten Auflage 1200 Exemplare drucken zu lassen. Auch deshalb, weil er sich beim Absatz auf drei Partner stützen kann, die fast den kompletten Vertrieb übernehmen.
Eine beneidenswerte Situation – ich muss als Einzelkämpfer für Logistik und Verkauf meiner Bücher SCHWEIZER PRÄZISION selbst sorgen. Was in erster Linie über diese Webseite geschieht. Der Blog mit monatlich neuen Beiträgen soll mein „Aushängeschild“ immer wieder interessant und besuchenswert halten.
Der Hauptvertrieb des Dual- und PE-Buches läuft über das Deutsche Phonomuseum in Sankt Georgen. Außerdem über den Ersatzteilhändler „Dualfred“ und den Shop der Dual GmbH. Hier kann die sechste Auflage für 49,90 Euro zuzüglich Versandkosten bestellt werden:
https://shop.dual.de/merchandise/buch-schwarzwaelder-praezision-von-weltruf-6-auflage_10425_2625/
Sämtliche der gut 70 mitgebrachten Bücher hat Norbert Kotschenreuther bereits eineinhalb Stunden vor Börsenschluss verkauft. Hier signiert der Autor gerade mein Exemplar
Angebot gegen Null …
Was lief sonst auf der diesjährigen Phono- und Radiobörse in Sankt Georgen?
„Das Angebot an Phonogeräten der fünfziger und sechziger Jahre tendierte gegen Null“, schildert der Autor seine persönlichen Eindrücke in der Stadthalle. „Stark vertreten war die zweite Hälfte der siebziger Jahre, was Dual-Geräte betrifft.“
Offerten hochwertiger HiFi-Bausteine, so meine Beobachtung, werden immer spärlicher. Lediglich einen ungepflegten Thorens TD 160 und eine Revox A 77 ohne Spulen habe ich 2024 auf den Ausstellertischen gesichtet. Automatikspieler, Nussbaumradios, deutsches HiFi der Einstiegs- bis Mittelklasse sowie eine Unmenge an Plastikbombern und billigste Fernost-Ware bestimmten das Angebot.
Völlig aus dem Rahmen der Offerten fiel dieser SME 3009 Mark III. Der britische Einzeltonarm von der leichten Sorte in Originalverpackung mit allen Unterlagen fand sogar einen Käufer
Diesen originellen Plattenspieler im Schwarzwaldhaus bot Bernhard Uhl auf der Bühne der Stadthalle zum Kauf an. Ein Hinweis auf den Hersteller findet sich auf dem Chassis zwar nicht. Aber Spieler mit Tonarm in Form einer Bärentatze hat nur Perpetuum-Ebner hergestellt
Ein Dual 1019 in Luxusschatulle lief mir wieder über den Weg – und ein nicht minder gut aussehener Nachfolger Dual 1219, der mich allerdings wegen der billig aufgedruckten Stroboskopmarkierungen auf dem Tellerring immer geärgert hat.
Permanente Drehzahlkontrolle während des Plattenspiels bot erst der Nachfolger Dual 1229 – den Kotschenreuther in seinen Buchausgaben auch stets als Referenzspieler an prominenter Stelle abgebildet hat.
Gesichtet neben Bananenkisten: Stefan Lutter nahm mit seiner Frau an der Börse teil und verkaufte einen Plattenspieler PE 34 von Perpetuum-Ebner – eine abgespeckte Version des PE 33 studio. Interessant an dem Einstiegsmodell in die HiFi-Klasse ist wie beim großen Bruder der kombinierte Tellerantrieb mit Riemen und Reibrad
Lang nicht gesehen: Das „magische Auge“ zur Abstimmung an einem Röhrenradio. Typisch die zahlreichen Namen der Sender, die kein Mensch in UKW-Qualität empfangen konnte
Immer wieder ein Hingucker: Altes Voltmeter mit gepfeiltem Zeiger
Ein Fan von Automatikspielern war ich nie, doch die interessanten Angebote der Dual-Klinik haben mich beeindruckt.
Klinik – der Name sagte es schon: Stephan Althoff hat sich auf die klinische – sprich: professionelle – Aufarbeitung von Dual-Plattenspielern der 1970er und 1980er Jahre spezialisiert. Seine Modelle präsentierten sich auf der Börse praktisch im Neuzustand.
Dual CS 731 Q: Der HiFi-Automatikspieler aus der Klinik mit quartzgeregeltem elektronischen Direktantrieb und ultraleichtem Tonarm strahlte wie gestern gekauft
Dementsprechend reichte die Preisspanne für Topmodelle von zirka 800 bis 1200 Euro. Was kaum den Vorstellungen der „Dualesen“ mit ihrer ausgeprägten Schrauber- und Selbermacher-Mentalität entspricht.
Klar wendet sich Althoff gegen Reparaturanfragen von Bastlern – nach deren Dafürhalten fast jeder alles selbst reparieren und „abschmieren“ kann, und die sich an ihn erst wenden, wenn sie nicht mehr weiter wissen.
Reparaturen von Einzelfehlern an 40 bis 50 Jahre alten Automatikspielern mit ihrer komplizierten Mechanik lehnt der Magdeburger ab. Diese Geräte, so seine Erfahrung, landeten meist nach kurzer Zeit mit dem nächsten Fehler in der Klinik. Wobei dann typischerweise verlangt wird, die erneuten Arbeiten als kostenlose Nachbesserung der Erstreparatur abzuwickeln.
Das Beseitigen unsachgemäßer Vorreparaturen, bei denen häufig Teile beschädigt werden, ließen die Restaurationskosten von Bastlergeräten schnell höher ausfallen als die vollständige Revision von Automatikspielern, die noch niemand „gemacht“ hat.
800 Euro für das „Baby“
Schon oberhalb von 200 Euro wird die Luft in der Stadthalle dünn – mit wenigen Ausnahmen:
Der Garrard 4 HF aus meinem Bestand – wegen seiner Elfenbeinfarbe und einer gewissen Ähnlichkeit mit dem großen Bruder auch „Baby 301“ oder „Garrard 301 für den Hausgebrauch“ genannt, war einem Sammler von 78er Schellacks aus Leonberg bei Stuttgart glatt 800 Euro wert.
Der putzige Einzelspieler mit passendem Magnet-Tonabnehmer Shure M 44-C und deaktivierbarer Endabschaltung – den der Käufer vor dem Erwerb schon mehrmals bewundert hatte – war wieder der einzige Garrard in Sankt Georgen.
Die originelle Form des Garrard 4 HF mit Teller von 30 Zentimeter Durchmesser und die ungewöhnliche Farbe verkörpern typisch englischen Geschmack – der „Plattenspieler von Queen Mum“
Der 4 HF in „Keksdosenzarge“, bei der die linke Seite abgerundet ist, taucht nur ganz selten auf. Zumal mit den roten Zierstreifen – es gibt auch Zargen mit Streifen in weniger begehrtem Grau. Beide Versionen der Streifen sind in Großbritannien sogar als Reproduktion erhältlich.
Die meisten Garrard 4 HF wurden in der üblichen kantigen Nussbaum-Konsole ausgeliefert und schwerpunktmäßig in die Vereinigten Staaten exportiert. Diese Normalversion wird auf dem Gebrauchtmarkt in vergleichbarem Zustand nur für die Hälfte des „Baby“ gehandelt.
Auch in Deutschland hat Garrard den Einzelspieler 4 HF angeboten. In der Hochburg von Dual, PE und Elac blieb er nahezu unverkäuflich
Erste Bekanntschaft mit einem 4 HF in Keksdose hatte ich bei einem Liebhaber von Vintage HiFi in Brüssel gemacht. Als ich meinen Acoustical 3100 mit SME 3009/II abholte, fiel mir in einer Vitrine seiner Wohnung das „Baby“ als Schaustück auf.
Das Beste aus zwei Welten
Der Verkaufspreis des Garrard mit originaler Bedienungs- und Serviceanleitung spiegelt das wider, was ich selbst in das seltene Sammelobjekt investiert habe:
Um den über 60 Jahre alten Spieler aus Großbritannien in diesen wirklich wie ladenneu wirkenden Zustand zu versetzen und ihn dann in SCHWEIZER PRÄZISION abzubilden, war nicht nur eine fachgrechte Revision durch Peter Feldmann erforderlich.
Ich habe für das ehrgeizige Projekt auch einen zweiten 4 HF in Österreich angekauft, der zwar in schlechtem Zustand war, aber in dieser begehrenswerten makellosen Blechzarge saß. Der jetzt verkaufte Plattenspieler ist sozusagen das Beste aus zwei Welten.
Titelbild des Garrard-Journal vom Juni 1962: Es zeigt den englischen Rock ’n‘ Roll-Sänger Billy Fury mit Garrard-Schönheiten an zwei Plattenspielern 4 HF
Als Bonbon gab’s zu dem Baby eine Garrard-Broschüre und eine zeitgenössische Tonarmwaage S.P.G. 3 vom gleichen Hersteller. Wichtig das messingfarbene Eichgewicht: Bei vielen Waagen ist es den Besitzern verloren gegangen
Zum Zeitpunkt des Fotos war der Garrard noch zu haben: Auf dem Tisch unser Verlagsangebot mit aufgeschlagener Seite des 4 HF. Meine Frau Angelika hat Besucher vom Kauf des Schubers SCHWEIZER PRÄZISION überzeugt
„Für wirklich hochwertiges HiFi ist die Phono- und Radiobörse sicher nicht die geeignete Plattform“, resümiert Norbert Kotschenreuther. Doch wegen der ausgesprochen familiären Atmosphäre am Roßberg – man trifft hier und am Stammtisch des Vorabends immer wieder die gleichen „Verdächtigen“ -, der perfekten Organisation durch den Veranstalter und der liebevollen Bewirtung durch die Sankt Georgener Vereine ist die Teilnahme jedesmal ein Erlebnis.
Und natürlich Grund, danach noch ein paar entspannte Tage in Sankt Georgen mit seiner herrlichen Umgebung, der guten badischen Küche im Gasthaus Staude und den tollen Ausflugsmöglichkeiten zu verbringen.