Die Ehe zwischen Thorens und EMT
Zwar liegen die weltweit begehrten HiFi-Plattenspieler aus Sainte-Croix um 1960 gut im Markt. Die anderen Geschäftsfelder jedoch – Musikspieldosen, Feuerzeuge, mechanische Rasierapparate, Konsumklassespieler – bereiten der Unternehmensleitung zunehmende Sorgen.
Musikspieldosen sind der traditionsreichste Produktionszweig von Thorens in der Schweiz
Gasfeuerzeuge zählen in Sainte-Croix ebenfalls zum Programm – wichtig für die damals noch zahlreichen Raucher
Rasierapparate mit Federmotor der Marke Riviera produziert Thorens auch für die schweizerische Armee
Plattenspieler der Konsumklasse – hier ein Phonokoffer – stellt Thorens für die jugendliche Käuferschicht her
Hinzu kommen Probleme des Managements: „Die Nachfahren des Firmengründers waren in der Unternehmensführung einfach nicht mehr so stark wie Hermann Thorens“, erklärte mir ein ehemaliger Mitarbeiter, der die Verhältnisse in Sainte-Croix aus eigener Anschauung kennt.
Paul H. Thorens gehörte der zweiten Unternehmer-Generation an
„Es fehlten Visionen, die Firma trat auf der Stelle.“ Ein weiterer Grund für die Stagnation in Zeiten des Wirtschaftswachstums war sicherlich auch die persönliche Zurückhaltung und Bescheidenheit der Familie Thorens.
Erschwerend noch der zunehmende Wettbewerb: In der Schweiz zum Beispiel konkurriert der neue Thorens TD 135 mit dem erfolgreichen Lenco L 70. Vertrieben über den Buchklub Ex Libris, kostet das Chassis aus Burgdorf mit seinem verblüffend einfachen, aber voll hifi-tauglichen Antrieb ohne Tonabnehmer nur 180 Franken. Thorens muss für den vergleichbaren, aber aufwendiger gebauten und in geringerer Stückzahl gefertigten TD 135 etwa das Doppelte verlangen.
Robert Thorens aus der dritten Generation ist die treibende Kraft des HiFi-Gedankens im Unternehmen
Als Robert Thorens klar wird, dass das Unternehmen so nicht weitermachen kann, nimmt der Enkel des Firmengründers – auch gegen familiäre Widerstände – Kontakt zur Firma Paillard auf, mit der schon seit der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg Kooperationen bestehen und deren Eigentümerfamilien miteinander verwandt sind.
Paillard unterhält damals in Sainte-Croix ein großes Zweigwerk, in dem die stark gefragten Kameras und Projektoren der Marke Bolex gebaut werden. Außerdem produziert die Paillard-Gruppe mit Sitz im nahe gelegenen Yverdon am Neuenburger See Hermes Schreibmaschinen und Buchungsautomaten sowie Precisa Rechenmaschinen und Registrierkassen.
Das 1948/49 erbaute Kamerawerk von Paillard in Sainte-Croix. Heute sind dort die Lebensmittelkette Migros und ein Konglomerat von Kleinfirmen eingemietet. Der Rest des lang gestreckten Fabrikgebäudes steht schon lange leer
Gegründet wird Paillard bereits 1814 von dem Uhrmacher, Mechaniker und Erfinder Moïse Paillard. Plattenspieler stellt das Unternehmen nur bis 1955 her. Ein feinmechanisches Wunder ist die kleinste Reiseschreibmaschine der Welt. Die Hermes Baby wird besonders von Literaten wie Ernest Hemingway und von Drehbuchautoren geschätzt, womit sich der Bogenschlag von Paillard zur Filmindustrie ergibt.
Als die Verhandlungen mit Thorens beginnen, ist Paillard mit über 6000 Mitarbeitern das größte und renommierteste Unternehmen der Westschweiz.
Stammsitz der Paillard-Gruppe in Yverdon-les-Bains am Neuenburger See. Der Fabrikkomplex, der inzwischen Centre Sainte-Roch heißt, beherbergt heute moderne Gewerbe- und Büroeinheiten
Um die Verwandtschaft mit seinen Entwicklungsmöglichkeiten zu unterstützen und einem möglichen Verkauf der Traditionsfirma Thorens in ausländische Hände zuvorzukommen, erwirbt Paillard im Herbst 1962 die bisherige Familien-Aktiengesellschaft.
Nach der Fusion veranlasst Paillard bei den nicht gewinnbringenden Bereichen sofort die Produktionseinstellung und nimmt auch Entlassungen vor. Das Arbeitsgebiet Musikspieldosen wird in eine neue Firma ausgegliedert.
Gemeinsames Produktprogramm: Bolex Filmkameras Precisa Rechenmaschinen Hermes Schreibmaschinen und im Hintergrund das Starprodukt der neuen Tochter – der Plattenwechsler Thorens TD 224
Doch trotz aller strategischer Unterstützung erfüllen die Zahlen von Thorens die Erwartungen der Muttergesellschaft nicht. Die Fertigung ist kostenintensiv, der Absatz der hochpreisigen Produkte dagegen trotz des Exportschwerpunktes beschränkt.
Außerdem sind die Firmenkulturen von Thorens und Paillard sehr unterschiedlich. Der Führungsstil der neuen Herren im Haus habe einen ziemlich militärischen Charakter besessen, erinnerte sich der frühere, inzwischen verstorbene Mitarbeiter Jacques Basset . Unter Paillard seien viele gute und verkäufliche Entwicklungen mit der Begründung „meine Herren, dieses Produkt braucht die Welt nicht“ abgelehnt worden.
Das habe dann zu einer veränderten Einstellung der Mitarbeiter gegenüber dem Arbeitgeber geführt. „Bei Thorens hatte die Entwicklungsabteilung großen Einfluss auf die Produktion. Vieles wurde verwirklicht. Bei Paillard hingegen konnte sich der freie Geist von Thorens nicht entfalten.“
Bereits drei Jahre nach der Übernahme endet die Geduld der gewinnorientierten Eigentümer der Paillard-Gruppe mit ihrer traditionsreichen Tochter. Am Geschäft mit Plattenspielern haben sie das Interesse verloren.
Hinzu kommt, dass Paillard in seinem angestammten Kamera- und Projektorengeschäft selbst in unruhiges Fahrwasser gerät und den eigenen Interessen alle Aufmerksamkeit widmen will. Der Niedergang des Schmalspurfilms beginnt sich damals schon abzuzeichnen.
Gegen Jahresende 1965 erhält der Direktionsrat von Thorens aus Yverdon den Auftrag, für das Unternehmen nach einem anderen Partner zu suchen. Wiederum soll die Produktion möglichst in der Schweiz gehalten werden. Deshalb fragen Robert und sein Halbbruder Rémy bei Studer-Revox in Regensdorf an.
Die G 36 ist die letzte Röhrenbandmaschine von Revox – Höhe- und Schlusspunkt der berühmten 36er Serie
Doch der Unternehmer Willi Studer will bei seiner Kernkompetenz Tonbandmaschinen bleiben. Außerdem ist er voll und ganz mit dem Aufbau seines deutschen Werkes in Löffingen im Schwarzwald beschäftigt, um den Lieferengpass bei der erfolgreichen Revox G 36 zu beseitigen. Er gibt ihnen aber den Rat, sich an seinen deutschen Unternehmerkollegen Wilhelm Franz zu wenden.
Lizenzfertigung in Deutschland
Franz ist Eigentümer und geistiger Kopf der Firma EMT Elektromesstechnik, deren Rundfunkplattenspieler Weltruf genießen. Die schwierige Situation von Thorens kommt Franz fast schon gelegen. Denn sein modernes Gerätewerk im südbadischen Lahr, großzügig geplant und realisiert, erweist sich als zu gering ausgelastet.
Das Gerätewerk Lahr kurz nach seiner Fertigstellung 1956. Hier werden die Rundfunkplattenspieler EMT 927 und EMT 930 gefertigt
Links EMT-Chef Wilhelm Franz (1913 – 1971), rechts sein Bruder Walter Franz, der das Gerätewerk leitet
Das Absatzpotenzial der EMT-Plattenspieler 927 und 930 bei den Rundfunkanstalten hatte der Unternehmer überschätzt, da diese zunehmend auf Bandtechnik setzten. Da böte sich, so sein Gedanke, die Entwicklung und Fertigung von Thorens-Modellen in seinem hochspezialisierten Werk doch geradezu an – zumal die Produktion in Deutschland auch kostengünstiger käme.
Studiobandmaschine Studer C 37 und Plattenspieler EMT 930 – hier noch mit Fremdtonarm von Ortofon. Die Anzeige mit dem Frauenmotiv hat EMT 1966 nur ein einziges Mal geschaltet. Besondere Werbung für sein Profi-Programm musste Wilhelm Franz bei seinen Rundfunkkunden nicht machen
Im Februar 1966 übernimmt Franz von Paillard die Mehrheit der Geschäftsanteile. Erster Thorens-Plattenspieler, der im Gerätewerk gebaut wird, ist der neue TD 150 – dessen Produktion zuvor schon in Sainte-Croix angelaufen war.
Der TD 150 arbeitet nach dem von Mitch Cotter erfundenen und von Thorens weiterentwickelten Schwingchassis-Prinzip
Zur Beruhigung der Kunden trägt der in Lahr produzierte Thorens TD 150 einen Hinweis auf die Schweizer Herkunft auf dem Tonarmbrett.
Von nun an baut das deutsche Gerätewerk nach dem Schwingchassis-Prinzip eine ganz neue Produktlinie (TD 125, TD 150/II, TD 160 …) auf. Mit den Riemen-/Reibrad-Plattenspielern aus der Schweiz bestehen keine konstruktiven Gemeinsamkeiten. Von daher bedeutet das Jahr 1966 in der Thorens-Firmengeschichte eine Zäsur.
Ob es in der Schweiz Ressentiments gebe wegen der Verlagerung der Thorens-Produktion nach Deutschland, hatte ich während eines Besuches in Sainte-Croix meinen Kooperationspartner Benni Streit gefragt. Der Thorens-Experte aus Oberrieden am Züricher See wollte das so nicht bestätigen. „Aber als ich vom Transfer erfuhr, war ich schon ein bisschen von Wehmut ergriffen.“
Bernhard Streit (links) in einem Fachgespräch mit dem 89jährigen Robert Thorens in dessen Privathaus in Sainte-Croix
Weiterbau aus Lagerbeständen
In Sainte-Croix wird zum Jahresende 1966 bei Thorens die Herstellung des Einzelspielers TD 135/II und des Wechslers TD 224 eingestellt. Das geschieht zeitgleich mit dem endgültigen Aus für die Fertigung der meisten Bauteile für den TD 124/II.
Nach Einschätzung des Thorens-Kenners Gerhard Weichler sind aber die Lagerbestände an Bauteilen bei Thorens und seinen Zulieferern so umfangreich gewesen, dass der TD 124/II aufgrund der regen Nachfrage bis Ende 1967 im größtenteils schon geschlossenen Werk gefertigt werden kann – von etwa 20 noch verbliebenen Mitarbeitern.
Dank dieser 1966/67 in Sainte-Croix fortgeführten Produktion ist das Topmodell der Thorens-Plattenspieler bis zur Einführung des Nachfolgers TD 125 nahtlos im Handel erhältlich.
Im Gesamtprospekt von Paillard-Bolex taucht der Thorens TD 124/II letztmalig im November 1968 auf. In Großbritannien ist das Modell, wie Händleranzeigen belegen, aus Importbeständen sogar noch bis Ende 1970 fabrikneu lieferbar.
Weltvertrieb über die Schweiz
Nach dem Erwerb von Thorens durch Wilhelm Franz wird die Fabrikation von Plattenspielern für den Heimgebrauch innerhalb von rund zehn Monaten stufenweise nach Lahr – der zweitgrößten Stadt des Ortenaukreises – verlegt.
Der Vertrieb aber und die Rechte am Firmennamen verbleiben in der Schweiz: Bereits ab Frühjahr 1966 verkauft in Wettingen, wo sich die schweizerische Niederlassung von EMT befindet, die neu gegründete Thorens-Franz AG die Plattenspieler von Thorens weltweit.
Das Lieferprogramm besteht zunächst aus dem vom Gerätewerk Lahr gefertigten TD 150, dem in Sainte-Croix weiter gebauten TD 124/II sowie den Modellen TD 135/II und TD 224, von denen noch Lagerbestände vorhanden sind.
Geführt wird die Thorens-Franz AG in der Hardstraße 41, die rund ein Dutzend Mitarbeiter beschäftigt und sämtliche Namensrechte besitzt, von Dr. Rémy A. Thorens. Die internationale Verkaufsleitung liegt bei Armin Graf, der seine Berufslaufbahn bei der Thorens S.A. in Sainte-Croix als Exportsachbearbeiter begonnen hat.
Geschäftsführer und Teilhaber der Thorens-Franz AG ist Rémy Thorens – rund 15 Jahre jünger als sein Halbbruder Robert Bild: Armin Graf
Während Thorens in Sainte-Croix auch einige Konsumklassegeräte hergestellt hat, wird in Wettingen entschieden, sich auf den Bau und den Vertrieb von HiFi-Plattenspielern der sehr gehobenen Mittelklasse und der Oberklasse zu konzentrieren.
Plattenspieler, die bewusst über keine Automatikfunktion verfügen und preislich höher als diejenigen der drei maßgeblichen deutschen Phonohersteller positioniert sind.
Für den Absatz der Thorens-Plattenspieler in Deutschland bleibt Paillard-Bolex in München zuständig. Eine direkte Verbindung zum südbadischen Gerätewerk, wo neue Mitarbeiter einfacher als in der Schweiz zu gewinnen sind, besteht dabei nicht. Sämtliche Kontakte zur Produktion laufen über Wettingen.
Von 1966 bis 1973 erhöht sich die Fertigung im Gerätewerk Lahr um das Fünffache. Im gleichen Zeitraum wächst die Belegschaft von 220 auf 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Täglich verlassen 720 hochwertige Thorens-Plattenspieler der Baureihen TD 125 und TD 150/160 die Fabrik.
Kein Vergleich natürlich mit Dual in Sankt Georgen, wo zu den besten Zeiten der Firma pro Tag rund 6000 Chassis, davon viele für Industriekunden, von den Bändern laufen. Doch egal an welchem Standort – das HiFi-Konjunkturbarometer zeigt bei allen beteiligten Herstellern weiter nach oben.
Niedergang von Paillard
Für Paillard in Yverdon hingegen sind schon wenige Jahre nach der Trennung von Thorens die goldenen Zeiten vorbei. Die Super-8-Filmkassette des „gelben Riesen” Kodak nach dem Einwegprinzip beflügelt den Amateurmarkt. Bolex hingegen hat seinen Schwerpunkt bei den semiprofessionellen 16-Millimeter-Kameras und Filmprojektoren.
Filmprojektoren im 16-Millimeter-Format kommen im Schulunterricht und bei öffentlichen Vorführungen zum Einsatz
Das dramatisch schrumpfende Marktvolumen dieser Produktgruppe zwingt das stolze Unternehmen langsam, aber sicher in die Knie. Bereits 1972 wird Paillard in der Schweiz liquidiert und die Kamerasparte von dem österreichischen Filmkamera- und Projektorenhersteller Eumig übernommen.
Nach dem Ende von Paillard stehen die riesigen Fabrikhallen in Yverdon lange Zeit leer
Auch aus der deutschen Niederlassung in München dringen schlechte Nachrichten. Als am Ende der 1960er Jahre der bisherige Geschäftsführer Heinrich Gauditz ausscheidet, kommt es zu unter der neuen Führung von Alfred Elbl zu einem Bruch in der Unternehmenskultur sowie in der Marketing- und Vertriebspolitik. Der Zusatz „Paillard“ verschwindet aus dem Firmennamen.
Trotz zwischenzeitlicher Vertriebserfolge schrumpft die wirtschaftliche Basis von Bolex zusehends. Hinzu kommt, dass Eumig in Stuttgart eine eigene Vertretung unterhält und sich den Luxus zweier deutscher Niederlassungen nicht leisten kann.
So ist schließlich 1977 das Schicksal der Bolex GmbH besiegelt. Der deutsche Vertrieb war schon einige Jahre zuvor aus München-Schwabing in die Oskar-Messter-Straße 15 nach Ismaning umgezogen. Eumig in Wiener Neudorf überlebt nicht viel länger und geht Anfang der 1980er Jahre in Konkurs.
Lediglich die Hermes-Schreibmaschinen von Paillard halten sich als eigene Gesellschaft noch einige Jahre über Wasser. Dann machen Computer-Tastatur und Schreiben am Bildschirm ihnen den Garaus. Der elektronischen Revolution konnten die Feinmechaniker mit ihren Symbolen für Schweizer Wertarbeit nichts entgegensetzen.
Bei der Bolex International S.A. in Yverdon baut ein Häuflein Unentwegter auf Bestellung zahlungskräftiger Liebhaber Kameras und Projektoren eine Zeit lang noch weiter – wertbeständig, solide und langlebig, wie immer
Die Neuzeit bricht das Genick
Wegen ihres fortschrittlichen Konstruktionsprinzips machen die Schwingchassis-Plattenspieler von Thorens in den 1970 Jahren weiter Karriere − vor allem die Erfolgsmodelle TD 126 und TD 160 in ihren zahlreichen Varianten. An der technischen Überlegenheit des Riemenantriebs kann das Aufkommen direkt angetriebener Plattenspieler nicht rütteln.
Spitzenmodell in der ersten Hälfte der 1970er Jahre ist der Thorens TD 125 – oben mit Tonarm TP 25, unten die „LB“-Spezialversion mit breiterem Brett, verlängerter Schiene und Ortofon RMG 309. Die Kombination mit dem damals schon angejahrten dänischen Studiotonarm wird kaum verlangt
Allerdings gerät der Konkurrenzkampf in der HiFi-Branche immer härter. „Obwohl wir mit unseren aufwendigen Plattenspielern nie das große Geld verdienten, mussten wir die Preise ständig senken“, blickt Verkaufsleiter Armin Graf auf die schwierige Marktlage zurück. 1991 muss sich die Thorens-Franz AG dem fernöstlichen Wettbewerb und der aufkommenden Digitalisierung beugen. Das Unternehmen in Wettingen geht damals in Konkurs.
„Ein Problem teilte Thorens mit anderen renommierten europäischen HiFi-Marken“, bringt Graf den bedauerlichen jahrelangen Abstieg des Vertriebsunternehmens in Wettingen auf den Punkt. „Um mit den Großen mitzuhalten waren wir zu klein, als HiFi-Spezialbetrieb dagegen zu groß. Daran konnte auch der hervorragende Klang des Firmennamens nichts ändern.“
Auch Thorens in Lahr leidet in den 1990er Jahren massiv unter dem Druck der Compact Disc. Die hohe Qualität der analogen Produkte kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Markt stark schrumpft. Die Produktion wird vereinfacht und teils ausgelagert. Als Konsequenz muss das traditionsreiche Gerätewerk 1993 schließen.
An der Schwelle des neuen Jahrtausends – rund 20 Jahre nach dem Ende von Lenco und Dual – ist auch Premiumhersteller Thorens trotz aller Rettungsmaßnahmen zahlungsunfähig. Abspielgeräte für Schallplatten sind in der Hochphase der Silberlinge „out“. Die großartige Renaissance des Vinyls zehn Jahre später sieht damals praktisch niemand voraus.
Thorens im neuen Jahrtausend
Anders jedoch der Schweizer Heinz Rohrer, der Thorens schon in den 1990er Jahren in Asien vertrieblich betreut und jetzt eine Vision hat. Der temperamentvolle „Poltergeist“ – so habe ich ihn bei einem Treffen am Rande der Highend-Messe in Pfäffikon am Züricher See erlebt – erwirbt aus der Konkursmasse die Rechte am Firmennamen. Im Jahre 2003 gründet der Kaufmann in Giebenach nahe Basel die Thorens Export Company.
Heinz Rohrer setzt auf die Wiederbelebung der Schallplatte. Allerdings kann auch er nicht ahnen, welches Ausmaß der Wiederaufschwung des „schwarzen Goldes“ in einigen Jahren nehmen wird – Bild: STEREO
Ziel der Thorens Export Company ist die Wiederbelebung der Marke und der Vertrieb von Plattenspielern einer neuen technischen Generation. Thorens kehrt damit für knapp zwei Jahrzehnte ins Land seines Ursprungs zurück. Hergestellt werden die Modelle allerdings im Schwarzwald. Damit ist Rohrer in vielen Ländern erfolgreich, speziell auf dem asiatischen Markt.
Um das Namensrecht muss Heinz Rohrer anfangs noch mit dem früheren Lahrer Konstrukteur Rolf Kelch streiten. Kelch wollte mit ehemaligen Arbeitskollegen unter dem Namen Thorens ein Nachfolgegeschäft mit Ersatzteilen und Service aufbauen und berief sich dabei auf eine angebliche Lizenzzahlung in die Schweiz.
Mit der Klarstellung, er sei der „alleinige Inhaber sämtlicher Rechte für die Marke THORENS HiFi- und Unterhaltungselektronik inkl. registriertem und geschütztem Schriftzug“ durchkreuzte Rohrer das Vorhaben.
Eine Neuauflage des Thorens Reference als Mark II – Kostenpunkt 34000 Euro – kann Rolf Kelch nicht wie vorgesehen mit Thorens-Emblem, sondern nur unter eigenem Namen realisieren. Angeblich hat er davon nur 20 Exemplare verkauft
Kelchs Ansinnen und entsprechende, auf der High-End-Messe 2002 in Frankfurt-Gravenbruch gestreute Falschmeldungen haben Rohrer immens geärgert. Die Nennung seines Widersachers bei unserem Treffen in Pfäffikon genügte – schon ging die Rakete hoch.
Entwickler Rolf Kelch mit dem Reference Mark II auf der High End 2006 in München. Kelch ist mit seiner kleinen Firma in Konkurs gegangen. Über seinen Verbleib wissen selbst die gut informierten Mitglieder des Analog-Forums der Analogue Audio Association nichts – Bild: TNT-Audio
Als Heinz Rohrer sich zur Ruhe setzen will, verkauft er sein Unternehmen, da er keinen Nachfolger hat, an den früheren Elac-Geschäftsführer Gunter Kürten. Im Mai 2018 nimmt die neu gegründete Thorens GmbH in Bergisch Gladbach bei Köln den Geschäftsbetrieb auf. Damit ist die Marke wieder in Deutschland.
Gunter Kürten hat sich der Traditionspflege verpflichtet und sogar eine oft verlangte, aber kaum für möglich gehaltene Neuauflage des Thorens TD 124 für den Highend-Markt realisiert – Bild: STEREO
Aufbauend auf das bestehende Produkportfolio sorgt Kürten für eine schnelle Rückbesinnung auf die Thorens „DNA“ – auf das, was die Marke in der Vergangenheit schon ausmachte und ihr zu Weltruhm verholfen hat. Damit ist der Firmeninhaber erfolgreich, was sich an der Anzahl neuer Modelle ablesen lässt.
„Der auf dem legendären TD 124 basierenden Thorens TD 124 DD“, schreibt der Hersteller auf seiner Webseite, „ist eine Verbeugung vor den Leistungen der Vergangenheit und zeugt vom Respekt des neuen Eigentümers vor der ältesten Marke in der Musikreproduktion.“