Der letzte mit Röhren
Dieser klassische Vollverstärker X-202-C war bei seiner Vorstellung 1964 das letzte große Fisher-Modell, das noch mit Röhren arbeitete. Nicht sehr viele sind davon bis 1966/67 noch gebaut worden – das Transistorzeitalter stand vor der Tür. Das macht den Fisher rar und begehrenswert.
Mein Exemplar, von EternalArts in Hannover restauriert und intern auf 235 Volt umgestellt, ist jetzt zu mir in den Taunus zurückgekommen.
Mit dem Modellwechsel 1964, zu dem Fisher auch seine ersten Transistorgeräte präsentierte, war eine Modernisierung des „Fisher-Gesichts“ verbunden. Die Fronten in leichtem Goldton sind nun von einer Metallleiste umrahmt, eine weitere Leiste unterteilt sie horizontal in zwei Felder. Der Schriftzug „The Fisher“ mit dem charakteristischen Schwalben-Logo wandert von der Gerätemitte auf eine Plakette mit dem Qualitätssiegel „Professional Series“, die sich rechts unten an der Frontplatte befindet. Statt dunkelbrauner Schalter zum Schieben verwendet Fisher jetzt senkrecht oder waagerecht angeordnete weinrote Wippen und Tasten.
Fisher-Gerätefamilie 1964: Oben die beiden kleinsten Modelle X-100-C (links, mit Röhren) und TX-200 (rechts, schon transistorisiert). Darunter der größere Röhrenverstärker X-101-D und das Topmodell der Glühkolben-Reihe X-202-C. Ganz unten das Transistor-Spitzengerät TX-300
Zum Vergleich das ebenso attraktive Vorgängerdesign, das ab 1961 die Fisher-Geräte prägte. Das Bild zeigt das Einsteigermodell der Verstärkerreihe, den Fisher X-100. Der keineswegs mager ausgestattete kleinste Fisher wurde auch in Deutschland angeboten. Er war im ersten High Fidelity Jahrbuch des dhfi gelistet und wurde im August 1962 in der HiFi-Stereo Praxis getestet.
Vertrieb durch Elac in Kiel
Der Fisher X-202-C wurde bei uns – wie die anderen Verstärker, Tuner und Receiver des renommierten US-Fabrikats – von Elac in Kiel vertrieben. Der ehemalige Hersteller von Automatikspielern übernahm von 1963 bis gegen Ende des Jahrzehnts die Fisher-Vertretung in Deutschland.
Elac war damit wenig erfolgreich, denn die US-Geräte konnte sich kaum jemand leisten. So kostete der X-202-C laut Preisliste vom April 1966 in Deutschland 1710 DM – ungefähr zwei Monatsgehälter eines durchschnittlichen Angestellten. Dadurch ist es nicht sehr wahrscheinlich, auf dem Gebrauchtgerätemarkt einen hier ausgelieferten Fisher in 220-Volt-Version zu finden.
Nachfolgend die Beschreibung des „stärksten Röhrengeräts der FISHER-Serie“ im Elac-Prospekt:
Dass ein 220-Volt-Fund aber nicht gänzlich unmöglich ist, beweist der kleinere Fisher X-100-A aus meiner Sammlung. Den Top-Zustand verdankt dieses Exemplar einem verschlossenen Büroschrank, in dem der nicht mehr zeitgemäße Verstärker Jahrzehnte verbrachte. Während der X-202-C mit Endröhren 7591 etwa 2 x 35 Watt Dauerton leistet, kommt der kleinere Bruder mit den bewährten EL 84 auf etwa 2 x 12 Watt sinus oder 2 x 17 Watt Musik.
Solche Funde bedürfen nach 50 Jahren IMMER einer fachgerechten Revision. Hier steht mein Fisher auf dem Labortisch von Roger Weber bei Audiotronic in Heidelberg
Die Fachwerkstatt Audiotronic in Heidelberg hat den X-100-A vollständig revidiert und mit einem neuen Röhrensatz von Tube Amp Doctor versehen. Die Leistung des kleinsten Fisher reicht an meinen Tannoy Stirling Lautsprechern mit 91 dB Wirkungsgrad völlig aus. Zumal der Verstärker praktisch brummfrei arbeitet und selbst auf Phono einen hervorragenden Fremdspannungsabstand aufweist. Dazu muss man wissen:
Einen elektrischen Brumm haben nahezu alle klassischen Röhrenverstärker. Seine Stärke hängt vom Wirkungsgrad der angeschlossenen Lautsprecher ab. Er sollte in etwa 50 Zentimetern Abstand vom Lautsprecher zerfallen sein und das Signal in Piano-Stellen nicht überdecken.
Mechanischer Brumm rührt vom Netztransformator her, der durch langjährigen Gebrauch, sprich: Erwärmung, einen Teil seiner inneren Dämpfung (Tränkung der Lamellen und Wicklungspakete mit Isolationsverguss) verloren hat. In dem Fall ist das Harz aus den oberen Lamellen und Wicklungen langsam nach unten gelaufen. Die Lamellen können nun leicht vibrieren und sorgen dadurch für Brummen. Verbunden damit ist eine stärkere Erwärmung des Trafos, die im praktischen Betrieb aber unkritisch ist. Das mechanische Brummen ist nur durch den Einbau eines neuen Transformators zu beheben.
Nach dem Erwerb des größeren X-202-C aus der gleichen Designlinie, nach dem ich lang gesucht hatte, hat dieser außen wie innen bildschöne X-100-A bei einem wertschätzenden Besitzer von SCHWEIZER PRÄZISION seinen neuen Platz gefunden. Natürlich hat er den Fisher bei mir persönlich abgeholt. Viele Interessenten winken beim Stichwort „Selbstabholung“ schnell ab – und signalisieren damit, dass sie das Teil nicht wirklich brauchen.
Zustand: nur selten gut
Fisher-Verstärker aus USA, die mit der dortigen Stromspannung von 117 Volt arbeiten, werden im Online-Auktionshaus zahlreich offeriert. Doch die meisten Angebote kann man gleich vergessen – derart jämmerlich ist heute die Verfassung der einstigen Luxusobjekte.
Diese Geräte standen jahrelang in dumpfen Kellern, haben am Chassis starke Flecken, Oxidationen und Rost – besonders an den Transformatoren und den Nieten der Cinch-Buchsen.
Als in „allgemein guter Verfassung“ beschreibt ein Verkäufer diesen Fisher X-100-A, den er auf einem schmutzigen Frotteelappen präsentiert
Bevor man sich aber den „Innereien“ solch bedauernswerter Objekte überhaupt widmet, stoßen schon die abgegriffenen Fronten ab. Fehlende Bedienungsknöpfe, abgefallene und verloren gegangene Messingkappen sind an der Tagesordnung. Stark oxidierte Flächen auch hier. Wüste Kratzer und verbogenes Blech zeugen vom rücksichtslosen Umgang mit den einstigen Vorzeigeprodukten.
Vertrauen Sie keinen Behauptungen amerikanischer Anbieter, ihr Verkaufsobjekt sei schon restauriert. Das geschieht fast nie nach anspruchsvollem Standard. Die meisten Geräte wurden lediglich „durchgegangen“, erhielten hier und da einen Sprühstoß DeOxit oder wurden von selbst ernannten Fachleuten mit falschen Bauteilen repariert. Und wenn ungenügend ausgeleuchtete oder verschwommene Handyfotos in einer vermüllten Werkstatt aufgenommen wurden, kann man die Offerte gleich wegklicken.
So weit, so schlecht.
Kein Schicksal im feuchten Keller
Vor einigen Monaten kam mir nun dieser Fisher X-202-C aus Kanada zu Gesicht, bei dem Vieles anders ist. Die Front präsentierte sich ausgeprochen gut erhalten. Lediglich die Messingkappen auf den Reglern für Programmwahl und Lautstärke wiesen leichte Oxidation auf.
Blick ins geöffnete Gehäuse: Links der dicke Netztrafo, rechts die großzügig bemessenen Ausgangsübertrager, davor die vier Endstufenröhren 7591 mit Hitzeschutzblech
Auch die Rückseite des X-201-C zeigte sich absolut präsentabel: Alle Beschriftungen erhalten und die Brücken für das Auftrennen von Vor- und Endstufe dort, wo sie sein sollen.
Bemerkenswert sauber auch das Innere des Fisher X-202-C – soweit es der Blick in das Holzgehäuse nach Abnahme des Lüftungsgitters erlaubt
Meine Eindruck: Dieser Fisher stand als „Estate Find“ nicht im Keller, sondern bis zuletzt in einem kanadischen Wohnzimmer, wo ihn ein Haushaltsauflöser so, wie er ist, aus dem Schrankfach gezogen und mitgenommen hat.
Das seltene Angebot im Online-Auktionshaus war für mich Grund, jetzt nicht noch lange zu feilschen, sondern den Fisher sofort zu kaufen – und damit aus der Reichweite der zahlreichen Beobachter zu nehmen. Der Verstärker wäre auch ohne mein Zutun schnell weg gewesen. Zumal der verlangte Preis zwar selbstbewusst, aber in Anbetracht des guten Zustands und des mitgelieferten Originalgehäuses vergleichsweise günstig war.
Bei außergewöhnlich attraktiven Angeboten gilt es immer schnell zu sein: So auch beim Kauf meiner MC 225 – der seltensten und am besten klingenden der drei Stereo-Röhrenendstufen von McIntosh. Während ein fernöstlicher Interessent noch kleinlich über Transportkosten verhandelte, erwarb ich das Schmuckstück per Sofortkauf. Als der Koreaner bemerkte, dass das Objekt der Begierde nicht mehr zu haben war, bot er dem Verkäufer in den USA 25 Prozent mehr – zu spät.
Mein spontaner Kaufentschluss erwies sich als richtig – ich habe seitdem nie mehr eine MC 225 in diesem fast ladenneuen Zustand gesehen – ohne Flugrost, ohne Kratzer oder Dellen in den Trafos und sogar mit komplett erhaltenen Beschriftungen – das findet man wirklich sehr selten.
„House Of Things“
Damit zum weniger erfreulichen Teil der Fisher-Geschichte: Der Haushaltsauflöser hatte von dem Fisher außer der Idee, ihn teuer zu verkaufen, keine Ahnung. Sein eBay-Shop nennt sich „The House Of Things“. Dem entsprechend stößt man dort auf Umengen von Spielzeugautos, auf Schlittschuhe, Angelzubehör und tausend andere „Things“. Seine Art, den 16 Kilogramm schweren Fisher für die weite Reise nach Deutschland zu verpacken, war furchtbar.
Denn als ich den Verstärker vom Spediteur an der Haustür entgegennahm, rappelte es im Transportbehältnis. Mir schwante nichts Gutes. Der Absender nahm einen offensichtlich schon mehrmals benutzten, viel zu kleinen Karton. Die Innenwände verstärkte er notdürftig durch dünne Dämmplatten vom Baumarkt – wofür er 40 Dollar extra kassierte. Auch erschien ihm ein Aufkleber an der Außenseite mit dem Hinweis auf das wertvolle Transportgut und der Bitte um sorgsamen Umgang als reiner Luxus.
Das Schlimmste aber: Die Verbindungsschrauben zwischen Verstärker und Holzgehäuse waren locker! Dadurch hatte das schwere Gerät im Gehäuse Spiel. Es konnte sich beim Transport darin hin- und herbewegen und klappern, denn auch der Raum dazwischen war nicht ausgepolstert. „T’schuldigung, ich packe meine Sachen immer so“, entgegnete der Verkäufer indigniert einem Kunden, der sich über miese Verpackung beschwert und ihn negativ bewertet hatte.
Doch wie ein Wunder – mein Fisher scheint trotz allem heil angekommen zu sein. Irgendwelche mechanische Beschädigungen konnte ich auf den ersten Blick nicht feststellen. Auch die empfindlichen Elektronenröhren haben das Transport-Trauma unbeschadet überstanden.
Sie sehen: Der Kauf eines solchen Gerätes in Amerika birgt erhebliche Risiken. Diesmal ist es anscheinend noch gut gegangen. Aber wenn Sie Ihren Erwerb wegen unzutreffender Beschreibung oder Beschädigung an den Absender in den USA oder in dem Fall in Kanada zurücksenden wollen, beginnt das nächste Drama – das ist der Zoll. Um die entrichteten hohen Einfuhrabgaben bei der Wiederausfuhr zurückzuerhalten, müssen Sie ein Tauziehen bestehen, bei dem Sie Fachkenntnisse aus der Speditionsbranche benötigen.
Meine Erfahrung: Was der Zoll vereinnahmt hat, verteidigt er mit Zähnen und Klauen. Bezeichnenderweise trägt die Kasse beim Zollamt den Namen „Geldannahmestelle“ – und signalisiert damit, dass der Zahlungsstrom hier nur in eine Richtung geht. Bei Ihrer „Abfertigung“ haben Sie Gelegenheit, als „Beteiligter“ noch mehr Zolljargon zu lernen – oder genervt auf den Parkplatz zu blicken, der hier „Amtsplatz“ heißt.
Einmal habe ich bei der Wiederausfuhr Stunden gebraucht, um für mein örtliches Zollamt alle erforderlichen Unterlagen bereitzustellen, wähnte mich schon auf der Siegerseite. Doch dann erhielt ich vom Hauptzollamt am Kölner Flughafen, über das der Rücktransport nach Amerika lief, die Aufforderung, den ganzen Behördenkram nochmal von vorn zu machen. Um an dem Zollkrieg nicht vollends zu zerbrechen, habe ich schließlich auf die Erstattung verzichtet.
Keine halben Sachen
Jetzt könnte man auf die Idee kommen, den Fisher in einer Hinterhofwerkstatt durchchecken zu lassen oder gar selbst den Lötkolben zu schwingen, einen Vorschalttrafo zu kaufen und den Verstärker bei sich zu Hause in Betrieb zu nehmen. Das übliche Vorgehen – die meisten US-Röhrengeräte, die hier wieder verkauft werden, sind fragwürdig (oder gar nicht) restaurierte und nicht an die hiesige Stromspannung angepasste Exemplare.
So kann ein hier angebotener Fisher aussehen: Der Verkäufer sparte sich ein anständiges Gehäuse – Investitionen in die Fotoausrüstung waren ihm wichtiger
Der mit dem Lautstärkeregler kombinierte Netzschalter am obigen X-101-C im grob gezimmerten Holzgestell war defekt – eine häufige Fisher-Krankheit. Statt dieses wichtige Teil von einer Fachwerkstatt reparieren zu lassen, baute der frühere Besitzer in die Netzleitung einfach einen Schnurschalter ein. Wem das genügt … Hauptsache billig. Schnäppchenjägern, die für den ganzen Verstärker auf einem Flohmarkt nur ein paar Euro bezahlen, fehlt die Achtung vor einem so schönen Gerät.
Amerikanische Verstärker, die bei der Revision einen hochwertigen, für unsere Netzspannung ausgelegten Transformator erhalten haben, klingen nach Aussage des Röhrenspezialisten Burkhardt Schwäbe um Längen besser als diejenigen, die in Deutschland mit einem umständlichen Vorschalttrafo betrieben werden.
Deshalb vertraue ich meine Klassiker der Firma EternalArts in Hannover an, die im Rahmen einer gründlichen Revision auch die wichtige interne Umstellung auf das europäische Stromnetz vornimmt. Die von Eternal Arts revidierten US-Geräte benötigen KEINEN Step-down-Konverter, weil sie an 235 Volt laufen.
Klassiker-Experte Dr. Burkhardt Schwäbe, Inhaber der Firma EternalArts
EternalArts hat sich der Reparatur und Restauration hochwertiger klassischer Audio-Komponenten verschrieben und dabei große technische Kompetenz aufgebaut. Mit dem Ziel, solche Schätze in den technischen Zustand bei der Auslieferung zu versetzen und sie optisch bestmöglich aufzuarbeiten.
Nicht „liebenswerte Patina“ – die verniedlichende Verkäuferbezeichnung für Blessuren – sondern Makellosigkeit bietet die beste Gewähr für Investitionen in HiFi-Klassiker mit Wertsteigerungspotenzial.
So ist das Speziallabor in der Lage, Gehäuseteile, Glasfronten, Platinen, Gehäuse- bzw. Frontbedruckungen in höchster Qualität nachzufertigen – ein wichtiger Aspekt. Auf meinen Hinweis, dass zwei der Messingkappen an den Reglern leicht oxidiert sind, konnte mich Schwäbe schon beruhigen: „Die Kappen werde ich fein beschleifen, polieren und mit eingefärbtem Zappon-Lack erneuern.“
Wichtig: das Gehäuse
In den 1950er und 1960er Jahren wurden in Amerika die meisten HiFi-Geräte mit der Frontplatte in Schrankwände eingebaut, um als technischer Fremdkörper im Wohnraum nicht weiter aufzufallen – Tribut an die weibliche Seite. Deshalb lieferten die Hersteller Tuner, Verstärker und Receiver grundsätzlich als Chassis aus. Wer die freie Aufstellung in einem Regal bevorzugte, musste das Holzgehäuse als Zubehör kaufen. Das optionale Walnuss-Kabinett für den Fisher X-202-C, der in den USA 249,50 Dollar kostete, schlug mit 24,95 Dollar extra zu Buch.
Um den optischen Eindruck zu optimieren, hatte ich vor, den Fisher X-202-C im Rahmen der Revision mit einem nagelneuen Holzgehäuse des amerikanischen Lieferanten McIntosh Cabinets zu versehen.
Röhrenvollverstärker Scott 299-C – der direkte Wettbewerber des Fisher X-202-C. Dieses Exemplar aus meiner Sammlung hat ein Gehäuse von McIntosh Cabinets erhalten
Mit dem McIntosh-Anbieter, der auch hochwertige Gehäuse für Fisher- und Scott-Komponenten in mehreren Furnierarten liefert, hatte ich in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht. Doch leider musste ich feststellen, dass die kleine „nebenher“ betriebene Firma trotz weiter bestehender Homepage keine Bestellungen mehr annimmt und ihren Betrieb eingestellt hat.
Bleibt also nur noch das Originalgehäuse, in dem der Fisher nach Deutschland kam und das ich ursprünglich wieder verkaufen wollte. Und da sieht’s gar nicht so schlecht aus, wie das nächste Foto beweist. Zwar zeigt auch dieses Exemplar hier und da ein paar Flecken – jedoch nichts Gravierendes. Immerhin hat es schon mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel.
Originalgehäuse des Fisher X-202-C: Der insgesamt gute Zustand von Holzfurnier und Lüftungsgitter ist keinesfalls selbstverständlich – und war ebenfalls Kaufargument
Dank der insgesamt ordentlichen Substanz des Holzkleides bietet sich alternativ eine professionelle Aufarbeitung an. Da habe ich das Glück, in benachbarten Neu-Anspach einen versierten Schreinermeister damit beauftragen zu können. Jürgen Heuner hat sich auf das Restaurieren und Konservieren alter Möbel und Holzobjekte aller Art sowie Ergänzung beziehungsweise Rekonstruktion fehlender Teile spezialisiert. Sehen Sie im folgenden Bild, was der Fachmann aus dem stumpfen und fleckigen Fisher-Gehäuse gezaubert hat.
Nach der Frischzellenkur in Neu-Anspach erstrahlt das hochglanzpolierte Fisher-Gehäuse in einem wunderschönen Mahagoni-Ton
Im Rahmen der Restauration hat Heuner das Gehäuse mit neuen Füßen versehen, da zwei davon abgebrochen waren. Preislich war die Aufarbeitung völlig in Ordnung. Ein Nachbau von McIntosh Cabinets hätte einschließlich Transport und Einfuhrumsatzsteuer mehr gekostet – selbst wenn man den Verkaufserlös des alten Gehäuses anrechnet.
Jetzt muss noch das Lüftungsgittter in das Gehäuse wieder eingeschoben werden. Dem Gitter hatte sich Peter Feldmann angenommen, der um spezielle Poliertechniken weiß. Unglaublich: Laut Feldmann ist das Gitter echt vergoldet!
Patient auf dem Labortisch
Den schweren Fisher habe ich persönlich zu EternalArts nach Hannover gebracht. Die Tagesreise über die Kasseler Berge habe ich gern auf mich genommen, denn noch ein Transport-Trauma kann ich nicht gebrauchen.
Bei der ersten Untersuchung stellte Burkhardt Schwäbe fest, dass der Verstärker noch die originalen Endstufenröhren von General Electric mit „Fisher“-Aufdruck hat. Sein Blick sagte ihm aber auch, dass die vier 7591 „fertig“ sind und getauscht werden müssen.
Mit der modernen Endpentode 7591 arbeiteten in den 1960er Jahren viele der größeren amerikanischen Vollverstärker, so auch andere Fisher-Modelle der mittleren Leistungsklasse und der beliebte Scott 299 in seinen beiden letzten Entwicklungsstufen C und D. Lange Zeit war diese Pentode allenfalls noch aus teurem NOS-Lagerbestand verfügbar.
Doch seit einigen Jahren stellen Sovtek (Electro Harmonix) und Tung-Sol In Russland sowie die Firma JJ Electronic in der Slowakei den Typ in guter Qualität wieder her. Somit lassen sich manche Verstärkerschätze aus dem Jahrzehnt wieder heben. Zwar sind immer noch NOS-Röhren von Sylvania erhältlich. Doch die kosten das Fünffache der Nachbauten – weshalb ich mich für Neuware entschieden habe, da von sehr ordentlicher Qualität.
Allerdings haben die Glaszylinder der Nachbauten einen etwas größeren Durchmesser als die der alten Originalröhren – dadurch entsteht beim Fisher X-202-C ein Problem. Denn der Platz im „Röhrenabteil“ zwischen Hitzeblech und Verstärker-Rückwand ist für die Neuware äußerst gering. Inzwischen hat aber Michael Kaim vom Röhrenversand BTB Elektronik in Fürth bestätigt, dass die relativ schlanke 7591 von JJ dort hineinpasst.
JJ Electronic bezeichnet seine 7591 S als „Oktal Power Pentode“ mit einer Ausgangsleistung von 19 Watt
JJ Electronic aus dem kleinen Ort Čadca im Dreiländereck zu Polen und der Tschechei hat sich seit Gründung 1993 durch Jan Jurco von einer kleinen Garagenfertigung zum führenden Anbieter von Elektronenröhren in der EU entwickelt. Zum Sortiment zählen heute mehr als 35 Vorverstärker-, Endverstärker- und Gleichrichterröhren für Gitarren- und Audioverstärker sowie für Studioausrüstungen.
Nach Klärung der Röhrenfrage bemerkte das Team in Hannover am Fisher ein Manko: Der Lautstärkerregler mit der damals üblichen kombinierten Ein- und Ausschaltfunktion läuft extrem schwergängig. Ursache ist die leicht verbogene Achse – der Verstärker muss irgendwann einen seitlichen Schlag bekommen haben.
Zunächst also „Heulen und Zähneklappern“ an dieser Stelle. Ich vertraute aber darauf, dass Schwäbe und sein Mitarbeiter mit 45 Jahren Berufserfahrung, „dessen ganze Passion HiFi war und ist“, den Schaden beheben können.
Für die Anpassung an unser Stromnetz wurde bei der Firma Transtec in Hilden bei Düsseldorf ein neuer Transformator nach Fisher-Spezifikation gebaut. Natürlich ganz klassisch von kubischer Form und schwarz lackiert wie das Original, nicht einer der heute üblichen silbernen Ringkern-Transformatoren.
Da der X-202-C sich auf dem Labortisch auch technisch in exzellentem Zustand herausstellte, ging es nach Fertigstellung des Trafos zügig voran. Mein Eindruck, dass dieser Verstärker nicht jahrzehntelang in einem dumpfen Keller stand und deshalb den Spontankauf rechtfertigte, bestätigt sich einmal mehr!
Blick in das Innere des Röhrenverstärkers: Rechts der neue 235-Volt-Transformator von Transtec. Für den Trafo konnte EternalArts die von hinten sichbare Kappe des alten Fisher-Transformators verwenden
Die Vorstufenröhren – alles Originale – erwiesen sich im Gegensatz zu den Endstufenröhren 7591 als noch gut. Die neuen Bedienungsknöpfe, die ich in den USA noch beschaffen konnte, wurden dort verwendet, wo sie passten. Lediglich die originalen Regler für Bass und Treble mussten wegen der Rutschkupplung für getrenntes Einstellen der beiden Kanäle auf der Frontplatte belassen werden; sie wurden aber aufpoliert. Dass dies kein Manko darstellt, zeigt das nachfolgende Bild des X-202-C in Hannover auf dem Labortisch. Alle Knöpfe sehen wie neu aus!
Die nachfolgende Arbeitsbeschreibung von EternalArts vermittelt einen Eindruck vom Umfang einer professionellen Revision. Die sich viele Besitzer eines HiFi-Klassikers leider sparen. Oder die sie selbst vornehmen und ihr Vorgehen in Internetforen nach der dort üblichen Anrede „Moin“ unentwegt mit Grimassenmännchen, Neudeutsch „Emjoys“, kommentieren.
Vor Beginn der Restauration wurde ich noch gefragt, ob die vernickelten Cinchbuchsen an der Rückseite des Verstärkers gegen vergoldete getauscht werden sollen. Wird gerne gemacht – für mich kam das aber nicht in Frage. Vergoldete Anschlüsse waren zur Glanzzeit des Fisher unbekannt, und niemand hat sich damals über schlechten Klang beklagt. Zu HiFi-Klassikern passt diese high-endige Modifikation nicht. Mir erscheint das nachteilig – wie ein Gebiss mit Goldzähnen.
Die ausführlichen Arbeiten haben natürlich ihren Preis – sie kommen aber einem entsprechend höheren Verkaufserlös zugute – falls man sich jemals von einem solchen Schätzchen trennen will. Eine absolut sinnvolle, dokumentierte Investition in den Werterhalt.
Inzwischen ist der restaurierte Verstärker wieder bei mir zu Hause. Von der kostenlosen Zusendung in einem nagelneuen Spezialkarton war ich überrascht – auch von der Mühe und Sorgfalt, die man sich in Hannover mit dem Versand gemacht hatte.
Das fertig restaurierte Chassis erhielt ich in dieser aufwendigen Doppelverpackung von EternalArts zurück. Im großen Innenkarton der Verstärker, im kleinen der ausgebaute 117-Volt-Transformator. So sollte es eigentlich immer sein!
Beim sorgfältigen Einpassen des Verstärkers in das Gehäuse half mir ein Röhrenfachmann aus dem Rhein-Main-Gebiet – der bei dieser Gelegenheit das Gerät und die Kontakte der Röhren in ihren Sockeln überprüfte.
Man sollte meinen, solch eine Gehäusemontage sei eine einfache Sache – Einschieben, fixieren und fertig. Die Arbeit stellte sich aber in der Praxis als nicht hindernisfrei heraus.
Danach wurden Adapter für den Anschluss der Lautsprecher mittels Bananensteckern sowie die zweiteilige Kupplung für die Phono-Erdungskabel der am Fisher möglichen zwei Plattenspieler – hier mit Mini-Bananensteckern – installiert.
Solche flexiblen Lautsprecher-Anschlüsse für die high-endigen Bananas fertigt Peter Feldmann an. Dank der geflochtenen Kabel werden die Schrauben am Verstärker mechanisch kaum belastet
Für den Anschluss der Lautsprecherkabel an den Ausgangsschrauben historischer US-Verstärker werden heute gern vergoldete Spades verwendet. Davon kann ich nur abraten! Denn die starren Spades üben in Verbindung mit den heute üblichen dicken Kabeln auf die fragilen Schrauben bei Zug oder Druck erhebliche Kräfte aus – mit der Gefahr des Ausbrechens. Dann ist nicht nur guter Rat, sondern auch die Reparatur teuer …
„Sorgfältige Konzeption“
Schließlich habe ich den Fisher an meine Anlage angeschlossen. Meine hohen Erwartungen an die Performance – so viel kann ich schon sagen – wurden nicht enttäuscht! Über den berühmten „Fisher-Klang“ war die Fachpresse schon in den 1960er Jahren voller Lob:
„Von den vielen Verstärker- und Lautsprechersystemen, die ich in den vergangenen Monaten kennen lernte, haben mich die amerikanischen Fisher-Geräte dank ihrer sorgfältigen Konzeption am meisten befriedigt“, schreibt 1963 Heinrich Sievers im fono forum. „Ihr hoher technischer Stand entspricht den klanglichen Forderungen, die das empfindliche Ohr an die einwandfreie Wiedergabe musikalisch anspruchsvoller Werke stellt. Der klare und ausgeglichene Höreindruck, der selbst in komplizierten Klangmischungen und dynamisch abrupt wechselnden Intensitätsgraden naturgetreu bleibt, überraschte alle Fachleute, denen ich die Anlage mit Opernbeispielen von Wagner und Verdi und mit sinfonischen Werken von Bruckner und Strauss vorführte.“
Die Funkschau konstatierte anlässlich der Hannover Messe 1965 kurz und knapp:
„Wer diese Geräte einmal hörte, weiß, was man heute unter HiFi-Wiedergabe versteht.“
Erzeugnisse von Fisher gelten als Glanzlichter der amerikanischen Audio-Industrie. Wer immer in den USA die feinsten HiFi-Geräte in sein Wohnzimmer stellen wollte, kam um den Namen Fisher kaum herum. Stolz verwies Avery Fisher – hier in seinem New Yorker Appartement an der Fifth Avenue – auf die sorgsam gepflegte Liste prominenter Kunden – darunter bekannte Staatsmänner, vermögende Privatiers und berühmte Musikschaffende
Schallplatten mit Opern oder Sinfonien besitze ich zwar nicht, aber „komplizierte Klangmischungen“ und „dynamisch abrupt wechselnde Intensitätsgrade“ gibt es natürlich auch bei Pop- und Rockmusik. Und das Klangbild des X-202-C ist auch damit eine Wucht! Wunderbar druckvoll und ausgeglichen. Von der Arbeit des neuen Transtec-Transformators ist allenfalls ganz leichtes Summen zu vernehmen. Zu loben ist auch die Auslegung der gehörrichtigen Lautstärkeregelung, die nicht zu aufdringlich wirkt und wirklich brauchbar ist.
Nicht zu vergessen: Auf eine solche professionelle Revision gibt es die einjährige gesetzliche Gewährleistung – die ich mit einem anderen Fisher-Gerät bei EternalArts auch problemlos in Anspruch nehmen konnte. Bei einer Hinterhofwerkstatt oder Do-it-yourself gibt’s diese Sicherheit natürlich nicht …
Ach ja – und was ist aus dem schwergängigen Lautstärkeregler wegen der leicht verbogenen Achse geworden? Der läuft nach der Frischzellenkur in Hannover „wie in Butter“!