HiFi-Elektronik von Axel Kjær
Die meisten Schallplattenliebhaber verbinden mit Ortofon die bekannten Tonabnehmer, allen voran das meiner Meinung nach völlig zurecht auch heute noch wahnsinnig gute SPU. Ebenso die bekannten und wirklich ausgezeichneten Tonarme und Übertrager. Viele davon sind heute gesuchte Klassiker.
Außerdem fungierte Ortofon in Dänemark als Generalimporteur des Thorens TD 124 aus der Schweiz.
Die klassische Zarge ST-104 versah Ortofon für den Verkauf in Dänemark mit einem goldenen Firmenschriftzug aus massivem Metallguss
In der mittlerweile über 100-jährigen Geschichte der Dänen gab es jedoch auch HiFi-Geräte. Bestärkt vom Erfolg mit dem SPU ergänzt Ortofon sein Sortiment ab 1959 um Verstärker und Tuner.
Ortofon hat damals seinen Sitz in Kopenhagen
Wie bei Firmen der Phonotechnik üblich, hat Ortofon die Elektronik aus fremder Produktion zugekauft und mit dem eigenen Namen versehen.
Das Ortofon-Logo in eleganter Schreibschrift ziert auch die Verstärker und Tuner. Hier ist es sogar von hinten beleuchtet
Hersteller der interessanten Geräte war der kleine Betrieb von Axel Kjær (1927-1982) in Lyngby nördlich von Kopenhagen.
Mit ihren geschwungenen Gehäusen, den abgespreizten Füßen und dem zentralen „Ortofon“-Logo sind Verstärker und Tuner richtige Hingucker. Wahrscheinlich kein Zufall: Die elegante Cremefarbe entspricht der Farbgebung des Thorens TD 124/I !
Die Anschlüsse an der Rückseite der Verstärker sind als DIN-Buchsen ausgelegt
Gebaut wird ab 1959 der Stereoverstärker KS 591 mit einer Leistung von 2 x 7 Watt, Push-Pull-Schaltung mit ECL 82 und Transformatoren von Knud Lindberg.
In seiner ersten Ausführung bietet der Verstärker noch einen magnetischen Phonoeingang mit zwei wählbaren Entzerrungskurven nach LP- und Euro-Norm. Dann wird diese Konfiguration zugunsten eines zweiten Anschlusses für Kristall-Tonabnehmer geändert. Bei der letzten Version sind die beiden Schaltstufen den Eingängen für Magnet-Tonabnehmer und Mikrofon zugewiesen.
Dänisches Manual des Ortofon-Verstärkers
Alle Modelle haben den in Europa ungewöhnlichen mehrstufigen Betriebsartenschalter und ein aufwendiges Rumpelfilter, entweder mit zwei Schaltstufen oder in seiner Wirkung gar stufenlos regelbar.
Nachfolger des KS 591 ist der 15-Watt-Vollverstärker KS 601 mit Transformatoren von Jørgen Schou und RCA-Röhren des Typs 6973 in Push-Pull-Schaltung
Das letzte Verstärkermodell KS 621 besitzt schon eine transistorisierte Vorstufe.
Die zu den Verstärkern passenden UKW-Röhrentuner tragen die Bezeichnungen KFM 601 und FM 621
Blick in einen Ortofon-Tuner nach Abnahme des Lüftungsgitters. Oben gut zu erkennen das Schwungrad zur Senderabstimmung. Die cremefarbenen Vorder- und Rückseiten des Gehäuses bestehen wie das Chassis des Thorens TD 124 aus massivem Aluminiumguss
Im Zentrum der Gehäusefront das magische Auge zur Senderabstimmung und das wunderschön beleuchtete Ortofon-Logo
„Die Konstruktion der Ortofon-Verstärker und -Tuner war nicht besonders fortschrittlich und entsprach etwa dem Niveau der HiFi-Mittelklasse“, urteilt der Däne Steen Jacob Sværke Nielsen, der diese Bausteine restauriert und sammelt.
Obwohl sie sich in Skandinavien recht gut verkauften, wurde die Produktion stets unwirtschaftlicher, sodass Axel Kjær im Jahre 1965 Konkurs anmelden musste.
Mit diesem seltenen Prospektblatt aus dem Archiv von Robert Thorens demonstrierte Ortofon die Kombination seines Verstärkers mit dem „Transcription Turntable“ Thorens TD 124. Passend dazu die moderne Schrankwand im skandinavischen Design
Prüfeinrichtung von Ortofon für Schallplatten-Matrizen: Thorens TD 124 mit Tonarm RMG 309; auf dem Regal der Ortofon-Verstärker
Plattenspieler von Delphon
Aber nicht nur Axel Kjær hat in Dänemark einige HiFi-Exoten hergestellt. Delphon baute in Kopenhagen Plattenspieler, die noch seltener auftauchen – und heute in Fernost hoch gehandelt werden.
Diese dänischen Modelle für den professionellen Einsatz sind fast immer mit Tonarmen von Ortofon ausgerüstet – zunächst dem Modell A 212, dann den Typen S 212, SMG 212 und RMA/RMG 309.
Früher Delphon mit dem ersten Ortofon-Tonarm aus weißem Bakelit. Den A 212 gab es alternativ in schwarzem Kunststoff. Speziell dieser Spieler wird von Japanern gesucht
Typisch für Delphon-Plattenspieler aus den 1950er und frühen 1960er Jahren ist ihr abgerundetes Chassis in grauem Hammerschlag-Lack.
Delphon GS 5 mit dem geraden Ortofon-Tonarm S 212. Dieser dänische Plattenspieler dürfte vom Ende der 1950er Jahre stammen – heute im Besitz eines Koreaners
Hier ein Exemplar mit Ortofon SMG 212 aus der Zeit nach 1960. Auch Delphon rüstete seine Spieler mit einer abgerundeten Zarge aus, die links das Firmenlogo trägt
Rings um das Firmenschild ist die Struktur des Hammerschlag-Lacks gut zu erkennen
Alle Delphon-Spieler haben Reibrad-Antrieb direkt auf die Innenseite des Plattentellers. Unter dem Gummirad unschwer zu erkennen: Der Antriebsmotor stammt von dem renommierten Spezialisten Papst aus Sankt Georgen. Selbst ernannte Fachleute, die gern „Pabst“ schreiben, sollten da mal genau hinschauen
Weiteres Merkmal der Delphon-Spieler ist der hohe, kompakte Plattenteller mit dunkelgrüner Gummiauflage. Dieser Teller misst lediglich 25 cm im Durchmesser – was bei der nachfolgenden Version mit dem langen Ortofon-Tonarm RK 309 und eingebautem Lift besonders krass auffällt.
Das Unternehmen Delphon wurde um 1963 aufgelöst. Der in Highend-Zirkeln bekannte Tonarm-Spezialist Hans Henrik Mørch übernahm den Großteil der Produktionseinrichtungen und baute die attraktiven Plattenspieler eine Zeit lang kaum verändert unter eigenem Namen weiter.
Delphon-Plattenspieler in der Ausführung von Mørch. Auch dieses Modell ist für die Aufnahme eines Ortofon-Tonarms der 212er Baureihe vorbereitet
Firmenschild von Mørch auf der Rückseite der Zarge. Viele Exemplare dürften nicht gebaut worden sein
Schwierige Restaurierung
Die eleganten Ortofon-Verstärker und -Tuner werden heute außerhalb von Skandinavien praktisch nie angeboten. Vor einigen Jahren konnte ich jedoch von dem Ortofon-Experten Gert Jakobsen aus dem mitteldänischen Horsens einen unrestaurierten KS 601 für meine Sammlung erwerben.
Äußerlich ist dieser Ortofon KS 601 nahezu makellos. Die Überholung des Innenlebens erwies sich aber als nicht einfach.
Zwar sind neue Leistungsröhren vom Typ 6973 als russischer Nachbau von Electro Harmonix problemlos erhältlich. Jedoch benötigte Peter Feldmann einige Monate und mehrere Anläufe, um mir den Verstärker restauriert zurückzugeben.
Weil der KS 601 nach der Restaurierung bei Phono auf einem Kanal leicht brummte, vertraute ich den Verstärker zur weiteren Überarbeitung dem leider inzwischen verstorben Ingmar Drews an.
Allerdings gelang es dem Röhrenfachmann aus Offenbach auch nur, den leichten Phonobrumm auf beide Kanäle gleichmäßig zu verteilen. „Ein vollständiges Entbrummen bei Phono“, so sein Vermerk auf der Reparaturrechnung, „ist nur durch ein komplett neues Design der Hauptplatine zu erreichen.“
Für den einfachen Betrieb des KS 601 an der HiFi-Anlage hat Peter Feldmann Adapter als Übergang von DIN- zu Cinchkupplungen angefertigt. Die Lautsprecher-Ausgänge links sind als Kupplungen für Bananenstecker ausgeführt
Ein probates Mittel, das Problem zu umgehen, ist der Anschluss des Plattenspielers über eine externe Phonostufe an einen der Hochpegeleingänge. So bin auch ich verfahren. Das Klangerlebnis meines KS 601 an der kleinen Phonobox von Project ist über alle Zweifel erhaben!
Im praktischen Betrieb erreicht der Verstärker recht schnell eine beträchtliche Wärme. Abgeleitet wird sie durch das groß dimensionierte schwarze Lüftungsgitter, das Front und Rückseite miteinander verbindet.
Die weiße Glühbirne hinter dem Ortofon-Logo strahlt so hell, dass sie das komplette Innenleben des Gerätes ausleuchtet. Durch die Schlitze des Lüftungsgitters lassen sich die Bauteile gut betrachten.
Kaum Interesse an Geschichte
Im Jahr 2018 beging Ortofon sein hundertjähriges Bestehen. Was erstaunt: In Nakskov, dem heutigen Sitz des Unternehmens, existiert kaum ein nennenswertes Firmenarchiv – trotz der langen und reichen Historie. Dies ergaben zumindest die Recherchen für das Ortofon-Kapitel in meinem Werk SCHWEIZER PRÄZISION.
Dazu passt der Charakter des knapp 200-seitigen Bildbandes „A Century Of Accuracy In Sound“, den Ortofon anlässlich des runden Jubiläums herausgab.
Lediglich im Schnelldurchgang wird dort die Zeit bis in die 1970er Jahre abgehandelt, um sich dann voll und ganz auf die Produktpalette der letzten drei Jahrzehnte auszubreiten. Für mich als HiFi-Historiker eine Enttäuschung.
Jubiläumsband von Ortofon: Den englischen Text schrieb Kevin Howlett
Mit dem (traurigen) Ergebnis, dass über den wichtigen Zeitabschnitt des goldenen HiFi-Zeitalters von Ortofon in SCHWEIZER PRÄZISION mehr zu erfahren ist als in dem Jubiläumsband.
Über die hier vorgestellten Verstärker und Tuner, geschweige denn über die interessanten Delphon-Plattenspieler mit Ortofon-Tonarmen, verschwenden die Dänen weder Worte noch Bilder.
Christen H. Nielsen rief mich in Sachen Firmenhistorie sogar persönlich an. Der Firmenchef wollte mir die „alten Geschichten“ ausreden und mich dazu bewegen, in meinen Büchern besser über die neuere Produktpalette zu schreiben.
Das gelang dem CEO von Ortofon allerdings bei Dirk Sommer. Der frühere Chefredakteur der Zeitschrift image hifi war mit dem Ziel nach Dänemark gereist, Material für eine Firmengeschichte zu sammeln. In der Einleitung des Beitrags beschreibt Sommer sogar sein Vorhaben. Als Leser fühlte man sich düpiert, als dann in der Story kaum etwas über’s Thema stand.
Nach einigem Disput am Telefon ließ Nielsen mich bei meinem Tun immerhin gewähren. Die „alten Geschichten“ sind es ja gerade, die Liebhaber an meinen Büchern schätzen!